Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“.
Es gibt aber einige Ausnahmen, bei denen der Arbeitgeber Lohnfortzahlung zu leisten hat.
Infiziert mit Symptomen
Arbeitnehmer, die mit dem Coronavirus infiziert sind und Symptome zeigen sind krank.
Die Entgeltfortzahlung findet aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit aus § 3 Abs. 2 EFZG statt.
Krank ist, derjenige bei dem ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand vorliegt.
Nachweislich Infizierte mit Symptomen und solche, die noch nicht getestet wurden, aber unter Symptomen leiden, sind krank im Sinne von § 3 Abs. 1 EfZG.
Infiziert ohne Symptom
Bei Arbeitnehmern ohne Symptom, ist fraglich, ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
Arbeitsunfähig ist, wer aufgrund von Krankheit seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder objektiv nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert wird.
Ohne Symptome des Arbeitnehmers, besteht zwar eine Ansteckungsgefahr für andere, es besteht aber keine oder nur eine geringe Einschränkung des Wohlbefindens des Arbeitnehmers.
Die Arbeitsunfähigkeit auch bei bloßer Ansteckungsgefahr wird teilweise bejaht, weil dem Arbeitnehmer das Aufsuchen des Arbeitsplatzes und die Gefährdung der Kollegen nach § 275 Abs. 3 BGB unzumutbar ist.
Andererseits besteht eine Arbeitsunfähigkeit bei der Beeinträchtigung der Gesundheit des Arbeitnehmers und nicht nach einer Gefahr für Dritte.
In einem solchen Fall ergibt sich die Arbeitsunfähigkeit nicht aus der symptomlosen Infektion, sondern aus der Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag, andere Arbeitnehmer nicht zu gefährden oder weil der Arbeitgeber von seinem/r Recht/Pflicht Gebrauch macht, den symptomlosen Arbeitnehmer am Arbeitsort nicht zu beschäftigen, vgl. §§ 618, 241 Abs. 2 BGB.
Symptomlose Arbeitnehmer sind nicht wie von § 3 EfZG gefordert infolge der Infektion arbeitsunfähig, sondern nur gehindert, aus Gründen des Infektionsschutzes oder wegen der Untersagung durch den Arbeitgeber gehindert, den Arbeitsort aufzusuchen, können aber durchaus im Home-Office tätig werden und dort die geschuldete Arbeitsleistung erbringen.
Der symptomlose Arbeitnehmer erfüllt somit nicht die Voraussetzung für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 3 EfZG, da bei einer symptomlosen Infektion auch keine AU-Bescheinigung ausgestellt wird und der symptomlose Arbeitnehmer somit auch keinen Nachweis nach § 5 EfZG erbringen kann.
Damit besteht kein Anspruch aus § 3 EfZG beim bloßen Verdacht einer Infektion oder bei einer nachgewiesenen, aber symptomlosen Infektion.
Anspruch während Quarantäne
Bei symptomlosen Arbeitnehmern mit Infektion oder Verdachtsfällen können Quarantäne-Anordnungen die Folge sein.
Corona-Infizierte ohne Symptome werden mit einer behördlichen Quarantäne belegt und dürfen den Arbeitsplatz nicht mehr aufsuchen.
In der Folge wird dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nach § 275 Abs. 1, Abs. 3 BGB rechtlich unmöglich, wenn keine Home-Office-Tätigkeit möglich ist.
Der Arbeitgeber hat sodann nach § 326 Abs. 2 BGB keine Vergütung zu zahlen, wenn nicht ein Fortzahlungsanspruch besteht.
Fraglich ist, ob hier ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht.
Dies könnte der Fall sein, wenn die Voraussetzungen von § 616 BGB vorliegen.
§ 616 BGB erfasst die subjektive Leistungshindernisse, also Hinderungsgründe, die gerade in der persönlichen Sphäre des Betroffenen bestehen müssen.
Nicht erfasst sind dagegen objektive Leistungshindernisse, bei denen das Leistungshindernis zur selben Zeit für mehrere Arbeitnehmer besteht.
Die Pandemie wird teilweise dem objektiven Leistungshindernis zugeordnet, da die Gefahr bzw. Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung hoch sei und überall bestehe.
Allerdings ist die Anzahl der betroffenen Fälle nur ein erstes Indiz.
Voraussetzung ist vielmehr, dass sich das Leistungshindernis gerade aus Eigenschaften und Umständen ergibt, die in der Person des Arbeitnehmers begründet sind.
Die Pandemie ist zwar ein weltweites Ereignis, doch verwirklicht sich bei der Anordnung von Quarantäne ein personenbezogener Gefahrenverdacht.
Damit sind die besonderen persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers derart betroffen, dass Rückwirkungen auf seinen körperlichen oder seelischen Zustand bestehen, womit stets ein personenbedingter Grund anzunehmen ist.
Auch bei hoher Durchseuchung der Bevölkerung sind Krankheitsverdacht oder symptomlose Infektion damit immer in der Person liegende Gründe.
Eine andere Sichtweise würde auch zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen.
Es wäre kaum bestimmbar, ab welchem Zeitpunkt in welchem Gebiet ein subjektives Leistungshindernis sich in ein objektives wandeln soll und umgekehrt.
Weiter ist fraglich, ob eine 14-tägige Quarantäne eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit darstellt.
Der offene Wortlaut erfordert eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals.
Bei einer erheblichen Verhinderungsdauer entfällt der Anspruch aus § 616 BGB.
Die 14-tägige Quarantäne dürfte an der Grenze der Verhältnismäßigkeit liegen.
14 Tage dürften aber eine erhebliche Verhinderung darstellen und den Anspruch aus § 616 BGB entfallen lassen.
Betriebsschließung
Durch die Pandemie kommt es auch zu Leistungsstörungen des Arbeitgebers durch Betriebsschließung.
Fraglich ist, was mit dem Vergütungsanspruch des Arbeitsnehmers während dieser Zeit ist.
Es könnte ein Anspruch aus § 615 S. 3 i.V.m. § 615 S. 1 und 2 BGB bestehen.
Dies setzt voraus, dass der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Fraglich ist infolge der gesetzlichen Nichtregelung, wann und in welchen Grenzen sich das Betriebsrisiko realisiert.
Die Pandemie könnte ein Naturereignis sein, mit der Folge, dass sich damit regelmäßig das Betriebsrisiko realisiert.
Wetterereignisse, Unglücksfällen, extreme Witterungsverhältnisse und Naturkatastrophen (Erdbeben, Überschwemmungen, Brände) gehören zum typischen Risiko, als Störungsereignis, das von außen auf typische Betriebsmittel (zB Maschinen, Fabrikgebäude, Heizungsanlagen) einwirkt und sich für den Arbeitgeber als ein Fall höherer Gewalt darstellt.
Eine Viruspandemie ist kein solches Ereignis, der sich erst infolge politischer Entscheidungen infolge von Empfehlungen von Virologen zur Betriebsschließung wegen damit vermeidbarer Kontakte ergibt.
Es muss sich das Betriebsrisiko bei behördlichen Maßnahmen realisieren, wobei behördliche Maßnahmen nicht anders zu behandeln sind als betriebstechnische Betriebsausfälle.
Der Arbeitgeber muss mit beiden Arten des Betriebsausfalls rechnen.
Dies gilt auch für behördliche Schließungsverfügung aufgrund einer Infektionsgefahr während einer Pandemie.
Fraglich ist jedoch, ob dies auch bei einem weiten Betriebsverbot gilt.
Die flächendeckende Betroffenheit sämtlicher Branchen und Unternehmen durch die Pandemie sprechen dafür, dass der einzelne untersagte Betrieb gerade nicht wegen seiner Eigenart betroffen und das Risiko auch nicht im Betrieb angelegt ist.
Die Schließungsverfügungen reagieren also nicht auf ein dem Betrieb anhaftendes Risiko, sondern auf das allgemeine Risiko einer Pandemie, das vom Arbeitgeber nicht mal abstrakt beherrschbar sei.
Für den Arbeitgeber realisiere sich nicht das Betriebsrisiko, sondern höhere Gewalt.
Eingewandt wird ferner, dass die Betriebsrisikolehre ihren Ursprung in lokal auftretenden Phänomenen wie Maschinenschäden habe, die Arbeit aufgrund Corona aber gerade nicht aus betriebstechnischen Gründen unmöglich werde, sondern vielmehr die Anwesenheit der Arbeitnehmer selbst und das daraus folgende Infektionsrisiko der Grund für die Verbote sei.
Ein Betriebsrisiko kann nicht grenzenlos sein.
Es stellt sich damit die Frage, ob Betriebsschließungen aufgrund einer Pandemie noch vorhersehbar und kalkulierbar sind.
Auch die Ausbreitung neuartiger Influenzaviren ist keine Neuheit (bspw. Schweinegrippe, Vogelgrippe), sondern wird durch die fortschreitende Globalisierung wahrscheinlicher werden.
Allein wegen der überraschend starken Beeinflussung des Weltgeschehens kann die jetzige Pandemie nicht als völlig unvorhersehbares Ereignis angesehen werden.
Das jetzt verwirklichte Risiko lässt sich zumindest theoretisch durch Rücklagen oder durch den Abschluss einer Betriebsschließungsversicherung einkalkulieren.
Damit stellen behördliche Schließungsverfügungen ein vorhersehbares und kalkulierbares Betriebsrisiko dar.
Ein aussagekräftigeres Kriterium ist der Betriebsbezugs der behördlichen Maßnahme.
Sinn und Zweck der Schließungsanordnungen bestand darin, soziale Kontakte zu verhindern, eine exponentielle Verbreitung des Virus einzudämmen und eine Überlastung des Gesundheitssystems abzuwenden.
Für diese Betriebe verwirklicht sich daher ein typisches Betriebsrisiko durch die angeordneten Schließungen, da deren Geschäftsmodell auf der Dienstleistung für möglichst viele Kunden ausgerichtet ist.
Durch die Art der Tätigkeit begibt sich der Arbeitgeber in eine besondere Risikosphäre, von behördlichen Maßnahmen wie Verboten betroffen zu sein.
Das Infektionsrisiko bei derartigen Unternehmungen mit viel Kundenverkehr ist ein der Tätigkeit immanentes Risiko, so dass der Arbeitgeber das Risiko gesundheitspolitischer Maßnahmen, die auch durch die Umstände des Betriebs bedingt sind, zu tragen hat.
Verweigerte Schutzimpfung
Es könnte ein Ausschluss des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung bestehen, wenn der Arbeitnehmer eine mögliche Impfung verweigert.
Fraglich ist, ob den Arbeitnehmer in diesem Fall ein Verschulden trifft, welches den Entgeltfortzahlungsanspruch aus § 3 EfZG ausschließt.
Fraglich ist hier zunächst, wann ein Verschulden des Arbeitnehmers vorliegt, da die Impfung dem Schutz des Einzelnen und der Herdenimmunität, aber nicht dem Schutz Dritter dient.
Dass die Vollwirksamkeit der derzeit verfügbaren Impfstoffe ist dabei relevant, da der Arbeitnehmer anführen kann, dass auch bei erfolgter Impfung eine Ansteckung möglich ist.
Der Arbeitgeber ist für das Vorliegen eines Verschuldens der Arbeitsunfähigkeit beweisbelastet.
Da die verschiedenen Impfstoffe keine Vollwirksamkeit aufweisen, erscheint es kaum möglich, den Beweis für eine Kausalität der Nichtimpfung für die Arbeitsunfähigkeit zu erbringen.
Es könnte jedoch die Wahrscheinlichkeit für die Kausalität der Nichtimpfung und einer sodann erfolgten Corona-Infektion genügen, um eine Entgeltfortzahlung aufgrund des Verschuldens des Arbeitnehmers zu verweigern.
Der Arbeitgeber kann somit grundsätzlich die Entgeltfortzahlung verweigern, wenn der Arbeitnehmer eine ihm mögliche Impfung verweigert und aufgrund einer Corona-Infektion und möglichen Langzeitfolgen arbeitsunfähig ist.
Das Verschulden besteht hier aus der Verweigerung der Impfung trotz bestehender Möglichkeit.
Ein Verschulden des Arbeitnehmers ist nur dann zu verneine, wenn die Impfung aus berechtigten Gründen des Arbeitnehmers abgelehnt wird, wie bei einer Schwangerschaft oder aus medizinischen Gründen.
Auch eine Verweigerung der Impfung aus religiösen Gründen ist denkbar; diese darf aufgrund des Diskriminierungsverbots aus dem AGG nicht zu Nachteilen führen.
Der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer einen Anspruch auf Auskunft aus § 242 BGB, ob der Arbeitnehmer sich einer Corona-Impfung unterzogen hat.