Erste Hilfe-Kurse und Hundetraining in Niedersachsen wieder zulässig

04. März 2021 -

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat am 03.03.2021 zum Aktenzeichen 13 MN 78/21 und 13 MN 67/21 mit zwei Eilbeschlüssen die Niedersächsische Corona-Verordnung vorläufig außer Vollzug gesetzt, soweit diese Schulungen in Erster Hilfe und den Unterricht von Hundeschulen untersagt.

Aus der Pressemitteilung des OVG Lüneburg Nr. 15/2021 vom 04.03.2021 ergibt sich:

Erste-Hilfe-Kurse

In dem Verfahren 13 MN 78/21 hatte sich ein Anbieter von Erste-Hilfe-Kursen gegen die Untersagung von (nicht unmittelbar berufsbezogenen) Schulungen in Erster Hilfe nach § 19 der Fahrerlaubnisverordnung durch § 14a Abs. 1 Satz 1 Corona-VO gewandt.

Der 13. Senat hat diese Untersagung für unangemessen und deshalb rechtswidrig erachtet. Die Untersagung führe dazu, dass in die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des Antragstellers eingegriffen und ihm ein nicht unerheblicher Teil seiner Berufstätigkeit unmöglich gemacht werde. Zu berücksichtigen seien zudem darüberhinausgehende negative Folgen für Fahrschüler. Denn der nur durch eine solche Schulung zu führende Nachweis, Erste Hilfe leisten zu können, sei eine notwendige Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis. Fahrschülern werde es durch die Untersagung mithin letztlich unmöglich gemacht, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis zu erfüllen. Diese negative Folge sei von erheblichem Gewicht, berücksichtige man die Bedeutung des motorisierten Individualverkehrs für die Aufnahme und Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder dahinführenden Ausbildung, aber auch für die Wahrnehmung sozialer Kontakte und die allgemeine Lebensführung. Der Verordnungsgeber selbst habe die Ausnahme für den praktischen Fahrunterricht mit dessen „gesellschaftlicher Bedeutung und zur Ermöglichung des Individualverkehrs“ begründet. Die widerstreitende Behauptung des Antragsgegners, diese Belange seien „durch ein gutes Netz der Infrastruktur und des ÖPNV sowie Radwege gewährleistet“, vermochte der Senat insbesondere mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse in zahlreichen, ländlich geprägten Gegenden Niedersachsens nicht nachzuvollziehen.

Den so gewichteten Grundrechtseingriffen und gravierenden Nachteilen stünden keine widerstreitenden und diese überwiegenden öffentlichen infektionsschutzrechtlichen Interessen gegenüber. Dabei stellte der Senat nicht in Abrede, dass Schulungen in Erster Hilfe als eine Kombination aus theoretischem (Gruppen-)Unterricht mit Demonstrationen und praktischen Übungen ein infektionsschutzrechtlich relevantes Gefahrenpotenzial aufwiesen. Nur dürften diese Gefahren durch geeignete, gegebenenfalls vom Antragsgegner normativ vorzugebende Hygienekonzepte derart reduziert werden können, dass sie eine vollständige Untersagung von nicht unmittelbar berufsbezogenen Schulungen in Erster Hilfe nicht mehr rechtfertigen könnten.

Hundeschulen

In dem Verfahren 13 MN 67/21 hatte sich der Betreiber einer Hundeschule mit seinem Antrag dagegen gewandt, keine Hundetrainings mehr anbieten zu dürfen. Diese bestehen vor allem in Welpen und Junghundekursen und verhaltenstherapeutischen Angeboten zur Behebung von Angst- und Aggressionsstörungen und anderen Verhaltensauffälligkeiten beim Hund sowie zur Lösung von Beziehungsstörungen zwischen Hundehalter und Hund. Die Hundetrainings finden überwiegend im Freien auf dem zur Hundeschule gehörenden eigenen Trainingsgelände sowie in dortigen Räumlichkeiten, aber auch im öffentlichen Raum (z.B. in Parkanlagen oder auf Auslaufflächen) statt.

Der 13. Senat hat diese Tätigkeit der Hundeschulen, bei der durch die Hundetrainer der Hundeschule nicht nur eine Ausbildung bzw. Erziehung der Hunde selbst, sondern auch eine Anleitung der Hundehalter in Erziehung, Haltung und Pflege ihrer Tiere erfolge, insgesamt als „Präsenzunterricht im Bereich der außerschulischen Bildung“ angesehen, der mit Ausnahme von Prüfungen (wie Wesenstests und Sachkundeprüfungen nach dem Niedersächsischen Hundegesetz), der Hundetrainingsberatung und der Hundetrainings zu Zwecken der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung durch § 14a Abs. 1 Satz 1 Corona-VO untersagt sei.

Diese Untersagung verstoße hinsichtlich eines wesentlichen Anteils des Unterrichts der Hundeschulen gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Denn ein nach dem äußerlichen Geschehensablauf vergleichbares, privat organisiertes (nichtinstitutionalisiertes) „Hundetraining“ als Treffen beliebig vieler Hundehalter aus ein und demselben Hausstand, ggf. zusammen mit einem aus einem weiteren Hausstand stammenden Hundehalter, und ihren jeweiligen Tieren sei nach den allgemeinen Vorschriften der Corona-VO im öffentlichen Raum sowie in/auf privat genutzten Räumen und Grundstücken zulässig; darüber hinaus dürften sich zwei Hundehalter aus verschiedenen Hausständen oder beliebig viele Hundehalter aus ein und demselben Hausstand im Rahmen einer ggf. zugleich vorliegenden „Individualsportausübung mit Hunden“ auf öffentlichen und privaten Sportanlagen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Corona-VO zu privaten „Hundetrainings“ zusammenfinden. Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, seien nicht festzustellen. Sie bestünden weder hinsichtlich einer vom Antragsgegner befürchteten Unterschreitung des Mindestabstandes zwischen am Hundetraining beteiligten Menschen (Hundehaltern und Hundetrainern) noch bezüglich einer seriellen Kontakthäufung bei Hundetrainern oder vermehrter Kontakte der Hundehalter während der Anreise zu diesen Verrichtungen.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.