Das Landgericht Koblenz hat mit Urteil vom 22.02.2021 zum Aktenzeichen 1 O 337/19 entschieden, ob eine Gemeinde für Folgekosten, die einem potenziellen Grundstückserwerber durch eine versehentlich fehlerhafte Mitteilung eines Kaufpreises für ein Gemeindegrundstück entstehen, haftet.
Aus der Pressemitteilung des LG Koblenz Nr. 2/2021 vom 26.02.2021 ergibt sich:
Die Kläger äußerten Anfang 2018 Interesse an einem Erwerb eines unbebauten Grundstücks der beklagten Ortsgemeinde. Per E-Mail teilte die gleichfalls beklagte Verbandsgemeinde, die gemäß § 68 GemO Rheinland-Pfalz die Verwaltungsgeschäfte für die Ortsgemeinde führt, dabei aber an die Beschlüsse der Ortsgemeinde gebunden ist, den Klägern mit, dass sich der Bodenrichtwert auf 70,00 Euro/qm belaufe. Dieser sei Grundlage für den Kaufpreis. Außerdem erklärte die Verbandsgemeinde, dass Teilflächen zum öffentlichen Verkehrsraum gehörten und daher vor einem Verkauf neu vermessen und geordnet werden müssten. Diese Vermessungskosten müssten von dem Investor getragen werden. Zur Senkung der Kosten fragten die Kläger daraufhin an, ob die Möglichkeit der Verpachtung bestehe. Der Gemeinderat der beklagten Ortsgemeinde fasste sodann den Beschluss, das Grundstück zu verkaufen und nicht zu verpachten. Unter Berücksichtigung des Bodenrichtwerts von 70,00 Euro/qm setzte er für das Grundstück einen Kaufpreis von 21.000,00 Euro an. Die beklagte Verbandsgemeinde teilte sodann jedoch den Klägern versehentlich mit, dass der Gemeinderat beschlossen habe, den Klägern das Grundstück zu einem Preis von 21,00 Euro/qm zum Kauf anzubieten. Die Kläger entschlossen sich auf dieser Basis zum Kauf. Die Verbandsgemeinde bat die Kläger daraufhin, vor dem Verkauf ein öffentlich bestelltes Vermessungsbüro mit der Vermessung des Grundstücks zu beauftragen. Die Vermessung wurde sodann auf Grundlage eines Auftrags der Kläger zu einem Preis von 1.631,55 Euro durchgeführt. Weiterhin zahlten die Kläger die Gebühren des Vermessungs- und Katasteramts in Höhe von 270,54 Euro. Die Verbandsgemeinde übersandte den Klägern daraufhin einen Beurkundungsauftrag an den Notar und teilte im Hinblick auf die nunmehr neu vermessene Grundstücksfläche von 275 qm statt ursprünglich 300 qm einen Grundstückskaufpreis von 19.250,00 Euro (=70,00 Euro/qm) mit. Versehentlich habe man die Kläger fehlerhaft informiert, dass der Kaufpreis 21,00 Euro/qm betrage, man bitte das Versehen zu entschuldigen. Zu einem Grundstückskauf kam es sodann nicht mehr.
Das Landgericht Koblenz hat den Klägern einen Schadensersatzanspruch gegen die Ortsgemeinde hinsichtlich der Kosten und Gebühren für die Vermessung des Grundstücks zugesprochen.
Das Gericht sah die Ortsgemeinde aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen nach §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 Satz 1, 278 Satz 1 BGB nach allgemeinem Zivilrecht als schadensersatzpflichtig an, wobei sich der Schadensersatzanspruch allein gegen die Ortsgemeinde als Vertragspartner der Kläger richtet. Einen Amtshaftungsanspruch verneinte das Gericht hier, da die beklagten Gemeinden nicht hoheitlich handelten, sondern vielmehr den Klägern im Rahmen eines Grundstückskaufs als Vertragspartner gegenüber traten. In der fehlerhaften Mitteilung einer Abschlussbereitschaft der Ortsgemeinde zu einem Kaufpreis von 21,00 Euro/qm, die zu diesem Preis tatsächlich nie bestand, und der Monate später anschließenden Aufforderung zur Beauftragung der Vermessung des Grundstücks, sah das Gericht eine schuldhafte Pflichtverletzung. Die falsche Mitteilung des Kaufpreises ordnete das Gericht als fahrlässig ein, wobei sich die Ortsgemeinde insofern das Verhalten der Verbandsgemeinde als Vertreterin zurechnen lassen musste. Grundsätzlich erfolgen Investitionen vor Vertragsabschluss zwar auf eigenes Risiko des Kaufinteressenten, hier lag jedoch zum einen eine ausdrückliche Aufforderung zur Beauftragung der Vermessung vor, zum anderen blieb den Klägern letztlich keine andere Wahl, weil eine Vermessung auf Kosten der Kläger von der Beklagtenseite zur Voraussetzung des Vertragsabschlusses erklärt wurde.
Ein anspruchsminderndes oder gar einen solchen Anspruch ausschließendes Eigenverschulden der Kläger sah das Gericht nicht. Zwar war den Klägern der Bodenrichtwert von 70,00 Euro/qm bekannt, während der mitgeteilte Kaufpreis dahinter erheblich zurückblieb. Die Kläger hätten diesen Kaufpreis allerdings trotzdem nicht hinterfragen müssen. Es wird zwar als allgemein bekannt vorausgesetzt, dass Gemeinden haushaltswirtschaftlichen Zwängen unterliegen, allerdings hatten die Kläger keinen Einblick in die weiteren dem mitgeteilten Quadratmeterpreis zugrunde liegenden wirtschaftlichen Erwägungen. Eine allgemeine Regel, wonach Gemeinden niemals in so erheblicher Weise von dem Bodenrichtwert abweichen könnten, erkannte das Gericht nicht. Auch gab es für das Gericht keine Anhaltspunkte, dass die Kläger die fehlerhafte Preismitteilung vor der Beauftragung der Vermessung erkannt hätten.
Die Verbandsgemeinde haftet dagegen nicht, da sie nur als Vertreterin der Ortsgemeinde handelte und hierbei kein besonderes persönliches Vertrauen für sich in Anspruch nahm, was allein Grundlage für einen Schadensersatzanspruch auch gegen den Vertreter nach § 311 Abs. 3 BGB hätte sein können.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.