Der Entwurf der Bundesregierung zur Reform der Absicherung von Pauschalreisenden bei Insolvenz des Anbieters ruft Kritik aus den betroffenen Branchen hervor.
Aus hib – heute im bundestag Nr. 241 vom 24.02.2021 ergibt:
In einer Anhörung des Tourismusausschusses richteten sich am Mittwoch Einwände vor allem gegen die Höhe der finanziellen Belastung für die Unternehmen. Im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage würden Beiträge und Sicherheitsleistungen um das sechs- bis siebenfache steigen, klagten Teilnehmer. Zufrieden äußerte sich allein ein Verbraucherschutz-Vertreter, der den Entwurf als europarechtskonform uneingeschränkt begrüßte. Kernstück des Gesetzes, das am 1. Juli in Kraft treten soll, ist die Errichtung eines aus Beiträgen der Unternehmen gespeisten Reisesicherungsfonds.
Damit soll das bisher geltende Versicherungsmodell abgelöst werden, in dem eine Haftungsobergrenze von 110 Millionen Euro je Unternehmen und Jahr vorgesehen war. Bei der Insolvenz des Anbieters Thomas Cook im Herbst 2019 wurde dieser Rahmen um das Vielfache überschritten. Zur Entschädigung der Kunden musste der Bund mit Steuergeldern einspringen. Für den neuen Reisesicherungsfonds ist die Rechtsform einer GmbH vorgesehen. Der Kapitalstock soll innerhalb von fünf Jahren die volle Höhe erreichen und im Insolvenzfall bis zu 22 Prozent des jeweiligen Vorjahresumsatz eines betroffenen Unternehmens abdecken. Die Beitragspflicht soll für alle Anbieter mit einem Jahresumsatz von mehr als drei Millionen Euro gelten. Sie sollen mindestens sieben Prozent vom Umsatz als Sicherheitsleistung stellen und mindesten ein Prozent der Einnahmen aus jeder Buchung als Prämie einzahlen.
In der Anhörung wies Ralph Benecke, Gründer und Geschäftsführer eines mittelständischen Reiseanbieters mit 16 Beschäftigten in Hamburg darauf hin, dass in vielen anderen Branchen von einer Absicherung angezahlter Kundengelder gar keine Rede sei. Unternehmen von der Größe seiner Firma seien mit dem bisherigen Versicherungsmodell und der Obergrenze von 110 Millionen gut zurecht gekommen. Sicherheitsleistungen und Prämien in der im Entwurf geforderten Höhe seien „nicht zu stemmen“. Derzeit lägen die Prämien bei 0,1 bis 0,2 Prozent der Einnahmen je Buchung. Höher als als 0,5 bis 0,6 Prozent dürften sie nicht ausfallen.
Michael Buller, Vorstand des Verbandes Internet Reisevertrieb, machte geltend, dass, wenn das Gesetz am 1. Juli in Kraft trete, die Branche pandemiebedingt „seit 16 Monaten keinen Umsatz“ mehr habe generieren können: „Wie sollen wir diese Sicherheitleistungen bezahlen?“ Vier Prozent vom Umsatz seien das Maximum des Zumutbaren.
Der Präsident des Internationalen Bustouristik Verbandes, Benedikt Esser, warnte vor einer Pleitewelle unter seinen Mitgliedern, sollte der Entwurf Gesetz werden. Bei einer Umfrage seines Verbands hätten 75 Prozent der Firmen angegeben, eine Sicherheitsleistung in geforderter Höhe nicht aufbringen zu können: „Wir können das nicht darstellen, wir können das nicht leisten, wenn das nicht geändert wird, war es das.“
Esser forderte auch, die Beitragspflichtgrenze von drei auf zehn Millionen Euro Jahresumsatz anzuheben, um mehr Mittelständler von einer „erzwungenen Kollektivhaftung“ zu verschonen. Die Anbieter von Bustouren seien in einer prinzipiell anderen Lage als Veranstalter von Fernreisen: „Wir haben kein besonderes Risiko, unsere Schäden sind immer gedeckt, unsere Gäste kommen immer nach Hause.“ Esser forderte auch, die Zeitspanne bis zum Aufbau des vollen Kapitalstocks von fünf auf 20 Jahre zu strecken.
Nils Hellberg vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft kritisierte, dass das Gesetz zwar am 1. Juli in Kraft treten, der Fonds seine Tätigkeit aber erst im November aufnehmen solle. Der Zeitpunkt der Haftungsübernahme müsse gleichzeitig mit der Rechtskraft des Gesetzes eintreten, forderte Hellberg, der darauf hinwies, dass der Markt der Kundengeldabsicherung ohnehin klein sei. In Deutschland gebe es nur noch drei einschlägige Anbieter. Die Erhöhung der Beitragspflichtgrenze auf zehn Millionen könnte den Fonds von Risiken entlasten.
Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Reiseverbandes, Dirk Inger, kritisierte die vorgesehenen Höhe der Prämie, die nach seiner Ansicht 0,6 Prozent nicht übersteigen dürfe, und die kurze Aufbauphase des Fonds. Er bemängelte zudem, dass sich nur in Deutschland zugelassene Versicherer an dem Geschäft beteiligen dürfen sollen.
Pauschalreisen seien Vertrauenssache für Kunden wie Anbieter, meinte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer Christiane Leonard. „Der Entwurf bringt dieses Vertrauen nicht unbedingt hervor.“
Als Sprecher des Verbraucherzentrale Bundesverbandes wies Felix Methmann die Einwände der Branchenvertreter zurück: „Der Entwurf macht alles richtig“, sagte er. Erstmals seit 30 Jahren erhalte Deutschland eine europarechtskonforme Insolvenzabsicherung für Pauschalreisende. Die bisherige Regelung habe nur zustande kommen können, weil der Gesetzgeber die einschlägige EU-Richtlinie „fehlerhaft umgesetzt“ und auf die „falschen Ratgeber“, nämlich die nur auf Kostenminimierung bedachten Branchenlobbyisten, gehört habe.