Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat mit Beschluss vom 23.02.2021 zum Aktenzeichen 5 ME 20/21 auf die Beschwerde des Antragstellers, eines niedersächsischen Polizeivollzugsbeamten der Antragsgegnerin, einer niedersächsischen Polizeidirektion, im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, den Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand längstens bis zum 28. Februar 2022 hinauszuschieben.
Aus der Pressemitteilung des OVG Lüneburg Nr. 9/2021 vom 24.02.2021 ergibt sich:
Damit hatte die Beschwerde des Antragstellers gegen den seinen Eilantrag ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 28. Januar 2021 (Az.: 8 B 1/21) Erfolg.
Der 62 Jahre alte Antragsteller ist seit dem 1. März 2017 mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Ermittlungsgruppenleiters in der zu jenem Zeitpunkt eingerichteten Ermittlungsgruppe Göhrde beauftragt. Er hat im Februar 2021 die gesetzlich festgelegte Altersgrenze erreicht und würde mit Ablauf des 28. Februar 2021 in den Ruhestand treten. Der Antragsteller beantragte jedoch im Oktober 2019, die Regelaltersgrenze um ein Jahr bis zum 28. Februar 2022 hinauszuschieben. Die Antragsgegnerin lehnte diesen Antrag ab und begründete dies mit entgegenstehenden dienstlichen Interessen. Der Antragsteller hat hiergegen im Juni 2020 bei dem Verwaltungsgericht Lüneburg Klage erhoben und am 12. Januar 2021 bei dem Verwaltungsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, nachdem das Verwaltungsgericht einen auf den 19. Januar 2021 anberaumten Verhandlungstermin „aufgrund der aktuellen Corona-Situation“ ersatzlos aufgehoben hatte. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag abgelehnt, weil einer Weiterbeschäftigung des Antragstellers über den 28. Februar 2021 hinaus dienstliche Interessen entgegenstünden. Dagegen hat sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde gewandt.
Der 5. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist im Beschwerdeverfahren im Ergebnis zu einer anderen Einschätzung als das Verwaltungsgericht gelangt und hat der Beschwerde des Antragstellers stattgegeben.
Zur Begründung hat der 5. Senat ausgeführt, er teile zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Umstrukturierung und Personalplanung betreffend die Ermittlungsgruppe Göhrde grundsätzlich ein dem Begehren des Antragstellers entgegenstehendes dienstliches Interesse sei. Denn die Antragsgegnerin habe schon vor dem seitens des Antragstellers im Oktober 2019 gestellten Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand eine Umstrukturierung und Personalplanung dahingehend geplant, die Ermittlungsgruppe Göhrde, die seit Einrichtung des Sachgebietes Cold Case formal nur noch aus dem Antragsteller bestehe, mit dem Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand Ende Februar 2021 aufzulösen und die Ermittlungen, die bis dahin von dem Antragsteller als Leiter der Ermittlungsgruppe Göhrde durchgeführt worden seien, von anderen Beamten im Sachgebiet Cold Case als Ermittlungskomplex fortzuführen.
Auch die Neustrukturierung der Zentralen Kriminalinspektionen der regionalen Polizeidirektionen sei grundsätzlich ein dem Begehren des Antragstellers entgegenstehendes dienstliches Interesse. Diese Neustrukturierung sehe unter anderem die Zusammenlegung der Fachkommissariate „Organisierte Kriminalität/Schwerstkriminalität“ und „Bandenkriminalität“ zu einem Fachkommissariat „Organisierte Kriminalität/Komplexe Kriminelle Strukturen“ unter der Leitung des bisherigen Leiters des Fachkommissariats „Bandenkriminalität“ sowie den Wegfall des dem Antragsteller mit Wirkung vom 1. Mai 2017 übertragenen Dienstpostens des Leiters des Fachkommissariats „Organisierte Kriminalität“ vor.
Die Antragsgegnerin habe jedoch gleichwohl das Begehren des Antragstellers, seinen Eintritt in den Ruhestand um ein Jahr bis zum Ablauf des 28. Februar 2022 hinauszuschieben, rechtsfehlerhaft abgelehnt. Die von der Antragsgegnerin als entgegenstehendes dienstliches Interesse angeführte Erwägung der regionalisierten Einstellung von Polizeianwärtern, die bereits bei ihrer Bewerbung auswählen müssten, bei welcher Polizeidirektion sie im Falle des Erfolgs ihrer Ausbildung ihren Dienst versehen wollten und deren Versetzung nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zu einer anderen Behörde nur noch in Ausnahmefällen möglich sei, stelle kein dem Begehren des Antragstellers entgegenstehendes dienstliches Interesse dar. Die Antragsgegnerin könne insoweit nicht mit Erfolg geltend machen, für den Antragsteller befinde sich bereits ein „Personalnachersatz“ in der Ausbildung, der im Falle einer Weiterbeschäftigung des Antragstellers nicht bei der Antragsgegnerin eingesetzt werden könne. Das gesetzgeberische Ziel der Flexibilisierung des Eintritts in den Ruhestand auch nach der Vorstellung des jeweiligen Beamten würde unterlaufen, wenn Folgen, die – wie hier im Falle des Antragstellers – typischerweise mit dem Hinausschieben des Ruhestandes verbunden seien, ein dienstliches Interesse zu begründen vermöchten. Der noch in der Ausbildung befindliche Polizeianwärter, der nach den Vorstellungen der Antragsgegnerin nach dem Abschluss der Ausbildung für den Antragsteller eingestellt werden solle, werde deshalb erst dann bei der Antragsgegnerin eingesetzt werden können, wenn die Planstelle des Antragstellers endgültig frei geworden sei. In der Zwischenzeit werde der jetzige Polizeianwärter gegebenenfalls in einer anderen niedersächsischen Polizeibehörde eingesetzt werden müssen, was nach dem Konzept der regionalisierten Einstellung von Polizeianwärtern in Ausnahmefällen auch möglich sein solle.
Der 5. Senat hat zudem im Beschwerdeverfahren auch nicht zu erkennen vermocht, dass zum 1. März 2021 bei der Antragsgegnerin kein einziger Dienstposten zur Verfügung stehe, auf dem der Antragsteller in der Zeit vom 1. März 2021 bis zum 28. Februar 2022 verwendet werden könnte. Die Antragsgegnerin habe missachtet, dass der Antragsteller durch seinen im Oktober 2019 gestellten Antrag ausdrücklich sein Interesse an einer Weiterbeschäftigung bekundet habe.
Diesen Antrag, der hinsichtlich der Verwendung des Antragstellers ab dem 1. März 2021 keine Einschränkungen enthalten habe, hätte die Antragsgegnerin von Amts wegen im Rahmen der im Jahr 2020 beendeten Dienstpostenbesetzungsverfahren berücksichtigen müssen. Die Antragsgegnerin müsse das Weiterbeschäftigungsinteresse des Antragstellers jedenfalls jetzt im Rahmen der noch nicht beendeten Dienstpostenbesetzungsverfahren berücksichtigen. Insoweit sei entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin rechtlich unerheblich, dass der Antragsteller in erster Linie das Ziel verfolge, über den 28. Februar 2021 hinaus die Ermittlungen im Bereich des Ermittlungskomplexes „Göhrde“ zu Ende zu führen. Ob der Antragsteller ab dem 1. März 2021 in diesem Bereich weiter tätig sein könne oder ob ihm andere Aufgaben übertragen würden, werde die Antragsgegnerin zu entscheiden haben.
Der Beschluss ist unanfechtbar.