Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hat mit Beschluss vom 23.02.2021 zum Aktenzeichen 1 S 467/21 dem Eilantrag einer Fahrschule aus dem Bodenseekreis gegen die teilweise Untersagung ihres Betriebs durch die Corona-Verordnung der Landesregierung stattgegeben.
Aus der Pressemitteilung des VGH BW Nr. 13/2021 vom 24.02.2021 ergibt sich:
Die Vorschrift des § 1d Abs. 8 der Corona-Verordnung untersagt seit dem 10. Januar 2021 teilweise den Betrieb von Fahrschulen. Erlaubt sind weiterhin Onlineunterricht, die Fahrausbildung zu beruflichen Zwecken insbesondere in den Lkw- und Bus-Fahrerlaubnisklassen, die Fahrausbildung für Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr, des Rettungsdienstes, des Kataststrophenschutzes und des Technischen Hilfswerkes und die bereits begonnene Fahrausbildung, die unmittelbar vor Abschluss durch die fahrpraktische Fahrerlaubnisprüfung steht.
Die Fahrschule wandte sich erfolgreich gegen die teilweise Betriebsuntersagung. Der VGH setzte mit Wirkung vom 1. März 2021 die Vorschrift des § 1d Abs. 8 der Corona-Verordnung außer Vollzug.
Zur Begründung führt der 1. Senat des VGH aus, die Voraussetzungen des Infektionsschutzgesetzes für die teilweise Betriebsuntersagung seien gegenwärtig voraussichtlich nicht erfüllt. Es handele sich bei dieser Betriebsuntersagung – anders als z.B. bei Fitnessstudios und Tattoostudios – nicht um eine bundesweit zwischen den Ländern abgestimmte Maßnahme, für die bei einer bundesweiten 7-Tages-Inzidenz von über 50 besondere Regeln gälten (s. Pressemitteilung vom 22.01.2021 zu Fitnessstudios und Tattoostudios). Daher habe die Landesregierung zu prüfen und zu begründen, warum es insoweit eines landesweit einheitlichen Vorgehens bedürfe. Die Voraussetzungen für Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 seien zwar dem Grunde nach voraussichtlich weiterhin gegeben. Der Senat teile die Einschätzung des Antragsgegners, dass die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als sehr hoch einzuschätzen sei, insbesondere da sich aktuell der Rückgang der täglichen Fallzahlen nicht fortsetze. Auch in Baden-Württemberg entwickele sich die 7-Tages-Inzidenz derzeit seitwärts bzw. leicht steigend. Auch sei nicht zu verkennen, dass der Betreib von Fahrschulen nicht unerhebliche Infektionsgefahren aufweise. Bei der praktischen Ausbildung könne der Mindestabstand von 1,5 m regelmäßig nicht gewährleistet werden. Über einen Zeitraum von jedenfalls 45 Minuten – oder bei einer Doppelstunde von 90 Minuten – säßen mindestens zwei Personen in einem kleinen geschlossenen Raum zusammen. Die Ausbildungssituation erfordere während des gesamten Zeitraums Kommunikation zwischen diesen Personen.
Die Notwendigkeit eines landesweit einheitlichen Vorgehens sei jedoch weder von der Landesregierung ausreichend dargelegt noch für den Senat offensichtlich. Das Infektionsgeschehen im Land weise nicht unerhebliche Unterschiede auf. Von den 44 Land- und Stadtkreisen habe einer eine 7-Tages-Inzidenz von über 100, zwölf eine zwischen 50 und 100, einundzwanzig eine zwischen 35 und 50 sowie zehn eine unter 35; in sechs dieser zehn Land- und Stadtkreise liege die 7-Tages-Inzidenz sogar unter 30. Bei einer nicht für alle Land- und Stadtkreise geltenden Untersagung des Betriebs von Fahrschulen seien infektionsschutzrechtlich bedenkliche Bewegungen von Fahrschülern und Fahrlehrern über Kreis- oder gar Landesgrenzen hinaus nicht zu erwarten. Die Gruppe der Fahrschüler und derjenigen, die sich derzeit entschließen könnten, sich bei einer Fahrschule anzumelden, mache von vornherein nur einen kleinen Teil der Bevölkerung aus. Diejenigen, die sich bereits in der Fahrschulausbildung befänden, dürften sich typischerweise dafür entscheiden, bei dieser Fahrschule zu bleiben, mit der sie bereits einen Vertrag geschlossen und dabei den üblichen, finanziell erheblichen Grundbetrag bereits bezahlt hätten. Wer derzeit überlege, die Fahrschulausbildung erst zu beginnen, werde zudem – zumal vor einer Entscheidung für eine Fahrschule in einem anderen Stadt- oder Landkreis – überlegen, dieses Vorhaben angesichts einer nicht auszuschließenden deutlichen Verschlechterung der Infektionslage und einer dann ggfs. drohenden erneuten landesweiten Untersagung des Fahrschulbetriebs aufzuschieben und zunächst abzuwarten. Auch dürfte es allenfalls für wenige Fahrschüler und Fahrlehrer praktikabel sein, über Kreisgrenzen hinweg weite Wege zurückzulegen, um Fahrschulleistungen anzubieten oder anzunehmen. Schließlich könne es sich als für solche Wanderungsbewegungen begrenzender Faktor erweisen, dass es bereits aus zeitlichen Gründen für viele Fahrschulen kaum möglich sein dürfte, in größerem Umfang für zusätzliche Fahrschüler Fahrstunden anzubieten.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Hinweis der Pressestelle:
Die Außervollzugsetzung von § 1d Abs. 8 Corona-Verordnung ab dem 1. März 2021 gilt nicht nur für die klagende Fahrschule, sondern allgemein. In dem später beim VGH eingegangenen Eilantrag einer Fahrschule aus Freiburg ist noch keine Entscheidung ergangen. Führt ein Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO – wie hier – zu einer Außervollzugsetzung einer Vorschrift, kommt es in noch anhängigen Parallelverfahren in der Regel nicht mehr zu einer Entscheidung in der Sache, da die angegriffene Vorschrift bereits außer Vollzug gesetzt ist.