Das Verwaltungsgerichts Stuttgart hat mit Beschlüssen vom 25. Januar 2021, 11. Februar 2021 und 15. Februar 2021 zu den Aktenzeichen 16 K 193/21, 16 K 511/21 und 16 K 581/21 drei Eilanträge auf unverzügliche Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 abgelehnt.
Aus der Pressemitteilung des VG Stuttgart vom 16.02.2021 ergibt sich:
Die Antragsteller im Alter von 39, 60 und 79 Jahren, die Vorerkrankungen geltend machen, haben keinen Anspruch darauf, in der durch die Priorisierungsgruppen der Coronavirus-Impfverordnung vorgegeben Impfreihenfolge vorgezogen und sofort geimpft zu werden.
Zur Begründung ihrer Entscheidungen führt die Kammer aus, die Antragsteller gehörten weder aufgrund ihres Alters noch aus sonstigen Gründen zu der Personengruppe mit der höchsten Priorität bei der Nutzung des vorhandenen Impfstoffs, die in § 2 der Coronavirus-Impfverordnung umschrieben werde. Ein Anspruch auf Impfung vorrangig vor Personen dieser höchsten Priorisierungsgruppe komme nur unter ganz engen Voraussetzungen in Betracht. Es müssten hierfür schwerwiegende Gründe vorliegen, die der Verordnungsgeber bei der Schaffung der Priorisierungsgründe offensichtlich nicht berücksichtigt habe. Zudem müssten diese Gründe die Annahme rechtfertigen, dass eine Versagung der Impfung zu einem unmittelbar bevorstehenden, sehr hohen Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 führe.
Derartige Gründe seien von den Antragstellern nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Als Vorerkrankungen seien in einem Fall Atemnot, in einem anderen Fall eine Krebserkrankung in Remission sowie ein kürzlich erlittener Herzinfarkt und im dritten zu entscheidenden Fall eine Querschnittslähmung vom Hals abwärts bei Schwächung des Immunsystems geltend gemacht worden. Diese Erkrankungen seien jedoch vom Verordnungsgeber im Rahmen der Einteilung der Priorisierungsgruppen bereits berücksichtigt worden. Dies führe gleichwohl nicht zu einer Einordnung in die höchste Priorisierungsgruppe, da nach wissenschaftlichen Erkenntnissen das Risiko, an einer COVID-19-Erkrankung zu versterben, durch die Erkrankungen der Antragsteller nur geringfügig erhöht sei, während über 80-jährige Personen einem 16-fach höheren Sterberisiko ausgesetzt seien.
Ein Anspruch der Antragsteller auf unverzügliche Impfung ließe sich schließlich auch nicht dem verfassungsrechtlichen Teilhabeanspruch entnehmen. Dieser könne ein Recht auf Teilhabe an einer staatlichen Leistung, hier der Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, nur im Rahmen des Möglichen gewähren. Da der Impfstoff derzeit (noch) knapp sei, müsse er nach sachgerechten Gründen verteilt werden. Hierbei stehe dem Verordnungsgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dass der Verordnungsgeber vor den Antragstellern zunächst noch ältere Personen über 80 Jahre, Personen, die in entsprechenden stationären Einrichtungen zur Betreuung und Pflege wohnen, Personen, die in ambulanten Pflegediensten mit der Betreuung älterer und pflegebedürftiger Menschen betraut sind sowie die in besonders gefährdeten Bereichen der medizinischen Versorgung tätige Personen priorisiere, sei nicht zu beanstanden. Nach aktuellen Erkenntnissen trügen insbesondere Personen oberhalb des 80. Lebensjahres ein extrem hohes Risiko, an einer Erkrankung mit COVID-19 zu versterben. Zudem sei bis zum Ende des Jahres 2020 besonders deutlich ein Anstieg der 7-Tage-Inzidenzen in den Altersgruppen ab 80 Jahren zu beobachten. Aufgrund des signifikant erhöhten Risikos eines schweren Krankheitsverlaufs bei Personen, die das 80. Lebensjahr vollendet haben, sei damit zu rechnen, dass durch diese Personen in besonderem Maße Intensivbetten in den Kliniken belegt würden. Die vorrangige Impfung von Personen der höchsten Priorisierungsgruppe diene daher sowohl deren Gesundheitsschutz als auch der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des medizinischen Versorgungssystems und damit der Allgemeinheit.
Gegen die Beschlüsse ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim gegeben, die innerhalb von zwei Wochen nach der Bekanntgabe eingelegt werden kann.