Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Beschluss vom 05.02.2021 zum Aktenzeichen 4 L 256/21.GI einen Eilantrag abgelehnt, mit dem sich die Antragstellerin gegen eine vorzeitige Besitzeinweisung der Bundesrepublik Deutschland in Teilflächen des im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücks in der Gemarkung Altenberg wandte.
Aus der Pressemitteilung des VG Gießen vom 05.02.2021 ergibt sich:
Das Verfahren steht im Zusammenhang mit dem vierstreifigen Ausbau der Bundesstraße B 49 zwischen Limburg und Wetzlar und betrifft den Planungsabschnitt zwischen Solms und Kloster Altenberg. Der Planfeststellungsbeschluss zu dieser Ausbaumaßnahme ist seit dem Jahr 2008 rechtskräftig. Ende November 2020 beantragte die Bundesrepublik Deutschland beim Land Hessen, sie wegen besonderer Dringlichkeit spätestens zum 15. Februar 2021 vorzeitig in den Besitz der in Streit stehenden Grundstücksfläche einzuweisen. Das Land Hessen entsprach diesem Antrag mit Beschluss vom 15. Januar 2021, gegen den sich die Antragstellerin nun wandte.
Die Antragstellerin machte geltend, eine besondere Dringlichkeit für die Besitzeinweisung liege nicht vor, da der sofortige Beginn der Bauarbeiten nicht geboten sei. Seit dem Jahr 2009 stehe fest, dass eine gütliche Einigung hinsichtlich der Entschädigung für die in Anspruch genommene Grundstücksfläche nicht zu erwarten sei. Gleichwohl habe die Bundesrepublik Deutschland ein Enteignungsverfahren nicht eingeleitet.
Zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung führte das Verwaltungsgericht aus, das Fernstraßengesetz – das hier zur Anwendung kommt – verlange für eine vorzeitige Besitzeinweisung als Voraussetzung nur, dass ein vollziehbarer
Planfeststellungsbeschluss vorliege, der sofortige Beginn von Bauarbeiten geboten sei und der Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks sich weigere, den Besitz des für die Straßenbaumaßnahme benötigten Grundstücks durch Vereinbarung unter Vorbehalt aller Entschädigungsansprüche zu überlassen. Diese Voraussetzungen seien hier sämtlich erfüllt. Auch wenn der Beginn der eigentlichen Straßenbauarbeiten in den nächsten Monaten noch nicht erfolge, so stünden doch Vorarbeiten in Form der Rodung von Hecken unmittelbar bevor, die nur unter Einhaltung der Rodungssaison (1. Oktober bis 28. Februar) durchgeführt werden könnten. Rechtlich unerheblich sei hingegen, dass ein Enteignungsverfahren noch nicht eingeleitet wurde, weil dies keine Voraussetzung für eine vorzeitige Besitzeinweisung sei.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.
Zur Erläuterung:
Die Durchführung eines Enteignungsverfahrens kann unter Umständen sehr zeitaufwändig und langwierig sein. Die vorzeitige Besitzeinweisung dient nach § 18f FStrG als Eilverfahren der beschleunigten Durchführung eines Enteignungsvorhabens, indem sie dem Träger eines eilbedürftigen Vorhabens bereits vor Abschluss des förmlichen Enteignungsverfahrens die tatsächliche Verfügungsgewalt über ein für die Realisierung des planfestgestellten Vorhabens erforderliches Grundstück verschafft und dem Vorhabenträger ermöglicht, bereits vor der endgültigen Besitzübertragung mit Baumaßnahmen auf noch fremden Grundstücken zu beginnen.
Die Voraussetzungen der vorzeitigen Besitzeinweisung sind nach § 18f FStrG:
– Vorliegen einer wirksamen vollziehbaren Zulassungsentscheidung (z.B. Planfeststellungsbeschluss),
– Sofortiger Baubeginn geboten,
– Weigerung des Rechteinhabers, Besitz unter Vorbehalt aller Entschädigungsansprüche zu überlassen.