Europäisches Parlament fordert „Recht auf Nichterreichbarkeit“

02. Februar 2021 -

Das Europäische Parlament fordert ein Recht auf Nichterreichbarkeit, um Arbeitnehmer davor zu schützen, außerhalb ihrer Arbeitszeit erreichbar sein zu müssen.

Aus der Pressemitteilung des EP vom 01.02.2021 ergibt sich:

Digitale Tools, einschließlich IKT, bringen flexiblere Arbeitsformen mit sich und können dabei helfen, mit der Arbeit verbundene Aufgaben besser zu organisieren. Gleichzeitig entsteht eine Kultur der ständigen Erreichbarkeit, auch außerhalb der Arbeitszeit. Da das Arbeiten im Homeoffice für viele Arbeitnehmer während der Corona-Krise zum Alltag geworden ist, hat die Problematik noch mehr an Bedeutung gewonnen.

  • 37 %   der Arbeitnehmer in der EU haben während des Lockdowns begonnen, von zu Hause aus zu arbeiten

Homeoffice lässt Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen

Nur durch den Einsatz von Telearbeit können im Zuge der Corona-Krise zahlreiche Jobs und Unternehmen gerettet werden. Gleichzeitig verschwimmen die Grenzen zwischen Beruf und Freizeit. Viele Arbeitnehmer müssen nun auch außerhalb ihrer Arbeitszeit arbeiten, was es für sie zunehmend schwieriger macht, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben zu finden.

  •     27 %   der zu Hause tätigen Arbeitnehmer geben an, auch in ihrer Freizeit zu arbeiten

Menschen, die regelmäßig im Homeoffice tätig sind, arbeiten mit mehr als doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit als diejenigen, die in den Räumlichkeiten ihres Arbeitgebers arbeiten, mehr Stunden als die nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie vorgeschriebene maximale Arbeitszeit.

Höchstarbeitszeit und Mindestruhezeit:

  •     maximal 48 Arbeitsstunden pro Woche;
  •     tägliche Mindestruhezeit von 11 Stunden;
  •     mindestens 4 Wochen bezahlter Urlaub pro Jahr.

Sowohl für die geistige als auch die körperliche Gesundheit ist es wichtig, auch mal abschalten zu können. Ständig erreichbar zu sein, kann die Gesundheit von Arbeitnehmern entscheidend beeinträchtigen. Langes Sitzen vor dem Bildschirm und längere Arbeitszeiten verringern die Konzentrationsfähigkeit, können zu kognitiver und emotionaler Überlastung und in der Folge zu Kopfschmerzen, Augenermüdung, Müdigkeit, Schlafstörungen, Angstzuständen und Burnout führen. Auch Erkrankungen des Bewegungsapparats sind möglich, insbesondere wenn zu Hause eingerichtete Arbeitsplätze nicht ergonomischen Standards entsprechen.

  •     Über 300 Millionen; Menschen erkranken jedes Jahr weltweit an Depressionen und psychischen Störungen im Zusammenhang mit der Arbeit

Parlament fordert neues EU-Gesetz

Es gibt bisher kein europäisches Gesetz, das ein Recht auf Nichterreichbarkeit festschreibt. Das Europäische Parlament will dies nun ändern. In einer am 21. Januar 2021 angenommenen Entschließung wird die EU-Kommission dazu aufgefordert, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, der es Arbeitnehmern erlaubt, ihr Recht auf Nichterreichbarkeit wirksam wahrnehmen zu können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Außerdem solle ein Rechtsrahmen für die Festlegung von Mindestanforderungen für Telearbeit in der gesamten Union erarbeitet werden, so das Parlament.

Die EU-Abgeordneten sind der Ansicht, dass Unterbrechungen der arbeitsfreien Zeit und die Verlängerung der Arbeitszeit das Risiko von unbezahlten Überstunden erhöhen und sich negativ auf die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und die Erholung von der Arbeit auswirken könnten. Deshalb fordern sie die folgenden Maßnahmen:

  •     Arbeitgeber sollten von Arbeitnehmern nicht verlangen, außerhalb ihrer Arbeitszeit direkt oder indirekt verfügbar oder erreichbar zu sein, und Mitarbeiter sollten davon absehen, ihre Kollegen außerhalb der vereinbarten Arbeitszeiten zu Arbeitszwecken zu kontaktieren;
  •     die Mitgliedstaaten sollen dafür sorgen, dass Arbeitnehmer, die sich auf ihr Recht auf Nichterreichbarkeit berufen, vor Viktimisierung und anderen negativen Folgen geschützt werden und dass es Mechanismen für den Umgang mit Beschwerden hinsichtlich oder Verletzungen des Rechts auf Nichterreichbarkeit gibt;
  • alle beruflichen Fernlern- und Fortbildungsaktivitäten sollten ebenfalls als Arbeitstätigkeit gezählt werden und nicht während Überstunden oder freien Tagen ohne angemessenen Ausgleich stattfinden.