Die EU-Kommission hat am 27.01.2021 wegen des polnischen Justizgesetzes vom 20.12.2019 den nächsten Schritt im Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet.
Aus EU-Aktuell vom 27.01.2021 ergibt sich:
Dazu hat die EU-Kommission Polen eine ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme übermittelt. Nach Auffassung der EU-Kommission verstößt Polen gegen EU-Recht, weil das Land zulässt, dass die Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht gewährleistet ist – weiter Entscheidungen trifft, die unmittelbare Auswirkungen auf die Richter und die Art und Weise haben, wie sie ihre Aufgaben wahrnehmen. Polen hat nun einen Monat Zeit, auf diese ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme zu antworten. Andernfalls kann die EU-Kommission den EuGH anrufen.
Am 03.12.2020 übermittelte die EU-Kommission Polen ein ergänzendes Aufforderungsschreiben, mit dem sie einen neuen Beschwerdepunkt in das am 29.04.2020 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren einbezog. Die Antwort Polens auf das ergänzende Aufforderungsschreiben hat die Bedenken der EU-Kommission nicht ausgeräumt. Deshalb hat die EU-Kommission am 27.01.2021 beschlossen, den nächsten Schritt im Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten und Polen eine ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln.
Nach Auffassung der EU-Kommission verstößt Polen gegen EU-Recht, weil das Land zulässt, dass die Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht gewährleistet ist – weiter Entscheidungen trifft, die unmittelbare Auswirkungen auf die Richter und die Art und Weise haben, wie sie ihre Aufgaben wahrnehmen. Hierzu gehören u.a. die Aufhebung der Immunität von Richtern im Hinblick auf ihre strafrechtliche Verfolgung und die damit verbundene vorübergehende Suspendierung vom Dienst und Kürzung der Bezüge. Die Disziplinarkammer entscheidet auch über Fragen im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht, der sozialen Sicherheit und der Versetzung von Richtern am Obersten Gericht in den Ruhestand.
Die polnischen Rechtsvorschriften gefährden dadurch, dass sie der Disziplinarkammer Befugnisse übertragen, die sich unmittelbar auf den Status von Richtern und ihre Rechtsprechungstätigkeit auswirken, die Fähigkeit der jeweiligen Gerichte, einen wirksamen Rechtsbehelf bereitzustellen, wie dies in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV vorgeschrieben ist. Allein die Möglichkeit eines Verfahrens vor einem Gremium, dessen Unabhängigkeit nicht gewährleistet ist, hat einen Einschüchterungseffekt auf Richter und kann ihre eigene Unabhängigkeit beeinträchtigen.
Hintergrund
Das Gesetz vom 20.12.2019, mit dem eine Reihe von Rechtsakten, die die Funktionsweise des polnischen Justizsystems regeln, geändert wird, ist am 14.02.2020 in Kraft getreten. Am 29.04.2020 übermittelte die EU-Kommission Polen ein Aufforderungsschreiben zu diesem Justizgesetz. Am 30.10.2020 setzte die EU-Kommission das Vertragsverletzungsverfahren mit der Übermittlung einer mit Gründen versehenen Stellungnahme fort. Die EU-Kommission prüft derzeit die Antwort Polens auf diese Stellungnahme.
Die ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme, die am 27.01.2021 angenommen wurde, schließt an das ergänzende Aufforderungsschreiben vom 03.12.2020 an, mit dem ein neuer Beschwerdepunkt in das am 29.04.2020 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren einbezogen wurde. Sie ersetzt nicht die ursprünglichen Beschwerdepunkte, die bereits Gegenstand der mit Gründen versehenen Stellungnahme waren, die die EU-Kommission Polen am 30.10.2020 übermittelt hatte.