Das Sozialgericht Osnabrück hat mit Urteil vom 07.12.2020 zum Aktenzeichen S 30 SB 245/18 entschieden, dass ein Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) nicht allein wegen der Zugehörigkeit zu einer Covid-19-Risikogruppe besteht.
Aus der Pressemitteilung des SG Osnabrück vom 19.01.2021 ergibt sich:
Für den 1948 geborene Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 90 sowie das Merkzeichen G (erhebliche Gehbehinderung) festgestellt; außerdem ist der Pflegegrad 1 anerkannt. Der Kläger machte hinsichtlich der Feststellung des Merkzeichens RF gerichtlich geltend, er leide aufgrund einer Muskelerkrankung unter unkontrollierbaren Hustenanfällen und starken Schleimabsonderungen, ferner sei auch die Lungenfunktion beeinträchtigt. Er gehöre zudem aufgrund seiner Vorerkrankungen und seines Alters zur Risikogruppe, an Covid-19 zu erkranken. Der Besuch öffentlicher Veranstaltungen könne ihm nicht zugemutet werden.
Das SG Osnabrück hat die Einschätzung des beklagten Landes Niedersachsen bestätigt und die Voraussetzungen des Merkzeichens RF verneint.
Nach Auffassung des Sozialgerichts ist Grundgedanke des Befreiungstatbestandes für das Merkzeichen RF, dass behinderte Menschen, denen wegen ihres Leidens öffentliche Veranstaltungen nicht zugänglich sind, stattdessen zu Hause Rundfunk hören und fernsehen. Der dafür zu zahlende Rundfunkbeitrag sei dann ein behinderungsbedingter Nachteil, von dem sie befreit werden. Der Kläger sei aufgrund seiner Behinderungen jedoch nicht allgemein und umfassend vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen. So hatte der Kläger – vor der Corona-Pandemie – gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen unter anderem angegeben, dass er morgens mit dem Auto zur Bäckerei zum Brötchen kaufen fahre und sonntags regelmäßig einen Gottesdienst besuche. Eine praktische Bindung des Klägers an das Haus bestehe daher nicht. Dieser sei nicht allgemein und umfassend vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen.
Aktuell gehöre der Kläger zwar aufgrund seiner Vorerkrankungen und seines Alters zur Risikogruppe, an Covid-19 zu erkranken. Aus gerichtlicher Sicht berücksichtige der Kläger allerdings nicht hinreichend die Schutzvorkehrungen, unter denen öffentliche Veranstaltungen aufgrund der Vorgaben zur Eindämmung der Pandemie – wenn überhaupt – nur stattfinden dürften. Zudem seien von den Folgen der Corona-Pandemie und der Gesundheitsgefahr durch die Infektion mit dem Virus eine Vielzahl von Personen betroffen. Finden aufgrund der Pandemie und der damit für alle verbundenen Gesundheitsgefahr Veranstaltungen nicht oder nur in einem eingeschränkten Umfang statt, so liege kein behinderungsbedingter Nachteil nur für einen schwerbehinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 80 vor.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es wurde Berufung vor dem LSG Celle-Bremen eingelegt (Az. L 13 SB 4/21).