Das Verwaltungsgericht Neustadt hat mit Beschluss vom 18.01.2021 zum Aktenzeichen 5 L 18/21.NW entschieden, dass die vom Rhein-Pfalz-Kreis verfügte Ausgangsbeschränkung von 21 Uhr bis 5 Uhr des Folgetages voraussichtlich rechtmäßig ist.
Aus der Pressemitteilung des VG Neustadt Nr. 1/2021 vom 19.01.2021 ergibt sich:
Der Rhein-Pfalz-Kreis (im Folgenden: Antragsgegner) erließ am 11.01.2021 eine vorerst bis zum 31.01.2021 geltende Allgemeinverfügung. Danach ist täglich im Zeitraum zwischen 21 Uhr und 5 Uhr des Folgetages das Verlassen einer im Gebiet des Rhein-Pfalz-Kreises gelegenen Wohnung oder Unterkunft und der Aufenthalt außerhalb der eigenen Wohnung oder Unterkunft grundsätzlich untersagt. Ferner ist während des genannten Zeitraums der Aufenthalt im Gebiet des Rhein-Pfalz-Kreises grundsätzlich auch Personen untersagt, die nicht dort sesshaft sind. Ausnahmen gelten nur bei Vorliegen von triftigen Gründen, die beispielhaft aufgezählt werden. Der in Fußgönheim wohnhafte Antragsteller wendet sich mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht gegen die angeordneten Ausgangsbeschränkungen und führt aus, nach der 15. Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz – 15. CoBeLVO – vom 11.01.2021 sei der Erlass einer Aufenthaltsbeschränkung erst ab einer Inzidenz von 200 zulässig. Da der Wert im Rhein-Pfalz-Kreis seit dem 26.12.2020 permanent darunterliege, sei die Verfügung unverhältnismäßig bzw. könne nicht auf die 15. CoBeLVO gestützt werden.
Das VG Neustadt hat den Eilantrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Antragsteller in keiner Weise dargelegt, inwiefern er von den umstrittenen nächtlichen Ausgangsbeschränkungen persönlich betroffen sein könnte, weil er beabsichtige, sich innerhalb des Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung im Zeitraum zwischen 21 Uhr und 5 Uhr des Folgetages außerhalb seiner Wohnung aufzuhalten, ohne dass ein Ausnahmefall wegen eines triftigen Grundes im Sinne der Ziff. 4 der Allgemeinverfügung vorliege. Der Antragsteller beschränke sich in seiner Antragsbegründung nur darauf, allgemein auf die gesunkenen Inzidenzwerte im Landkreis zu verweisen. Dies genüge nicht, um die Antragsbefugnis zu begründen. Ungeachtet dessen entspreche die angefochtene Allgemeinverfügung voraussichtlich den rechtlichen Vorgaben; auch müsse eine reine Interessenabwägung eindeutig zulasten des Antragstellers ausfallen.
Die Vorgaben der einschlägigen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes seien gewahrt. Die in Ziff. 3 der Allgemeinverfügung getroffene Ausgangsbeschränkung während der Nachtzeit sei ausführlich damit begründet worden, dass die Mobilität und zugleich die nicht essentiell notwendigen Kontakte am späten Abend und in der Nacht zu beschränken seien. Insbesondere sei darauf abgestellt worden, dass sich die Fallzahlen gegenüber der Zeit kurz vor Weihnachten 2020 zwar verringert hätten, jedoch nicht in einem solchen Maße, als dass bereits von einer nachhaltigen Entspannung gesprochen werden könne, die dann auch weniger einschränkende Maßnahmen ermöglichen würde. Die Lage in den Krankenhäusern sei sehr angespannt. Eine Überlastung des Gesundheitswesens sei noch immer vorhanden und drohe sich auch vor dem Hintergrund der neu aufgetretenen Mutation zu verschärfen.
Die vom Antragsteller in Bezug genommene Regelung in § 23 Abs. 3 der 15.CoBeLVO stehe der angefochtenen Allgemeinverfügung nicht entgegen. Danach stimmten die Landkreise und kreisfreie Städte, in denen die 7-Tages-Inzidenz über einem Wert von 200 liege, im Einvernehmen mit dem für die gesundheitlichen Angelegenheiten zuständigen Ministerium über diese Verordnung hinausgehende zusätzliche Schutzmaßnahmen ab. Damit begründe § 23 Abs. 3 CoBeLVO zwar eine Verpflichtung zur Abstimmung zusätzlicher Schutzmaßnahmen erst ab einem Inzidenzwert von 200. Dass wie hier – im Einvernehmen mit dem Ministerium – auch nach Unterschreiten dieses Werts an zusätzlichen Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung festgehalten werde, bleibe jedoch unberührt.
Es ergäben sich ferner derzeit keine Anhaltspunkte für eine unverhältnismäßige Beschränkung der Grundrechte des Antragstellers aufgrund der von ihm beanstandeten Maßnahmen. Auch wenn die Wirksamkeit von Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Pandemie auf politischer Ebene nach wie vor unterschiedlich bewertet würden, lägen mittlerweile verfassungs- bzw. obergerichtliche Entscheidungen betreffend die Verhältnismäßigkeit landesweiter Ausgangsbeschränkungen in anderen Bundesländern vor.
Selbst wenn man – im Falle der Bejahung der Antragsbefugnis des Antragstellers – von offenen Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren ausgehen würde, fiele die erforderliche Güterabwägung zum Nachteil des Antragstellers aus. Der Antragsgegner habe nämlich eine umfassende Ausnahmeregelung in Ziff. 4 der angefochtenen Allgemeinverfügung des Antragsgegners getroffen. Die beispielhafte Aufzählung triftiger Gründe für eine Ausnahme von der nächtlichen Ausgangsbeschränkung zeige, dass er nicht nur berufliche oder gesundheitliche, sondern auch sonstige private Interessen habe umfassend berücksichtigen wollen.
Demgegenüber fielen die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Ausgangsbeschränkung erheblich schwerer ins Gewicht. In Anbetracht der überragenden Bedeutung des Rechts auf Leben und Gesundheit der Bevölkerung, die es vor einer ungebremsten Ausbreitung der Covid-19-Erkrankung zu schützen gelte, um eine Vielzahl von teils schweren Erkrankungen und Todesfällen sowie eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, und angesichts der weiterhin zeitlich begrenzten Geltungsdauer der Regelungen bis 31.01.2021 überwögen die mit den ausgesprochenen Anordnungen verfolgten öffentlichen Interessen und der Schutz der Grundrechte Dritter die Interessen des Antragstellers eindeutig.
Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum OVG Koblenz zulässig.