Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 09.12.2020 zum Aktenzeichen 2 BvR 2194/19 entschieden, dass die Einsichtnahme durch ein in der Wand angebrachtes Sichtfenster in einen Haftraum verfassungswidrig ist.
Der gesonderte Haftraum bietet für den Gefangenen regelmäßig die einzige (verbleibende) Möglichkeit, sich eine gewisse Privatsphäre zu schaffen und ungestört zu sein. Er ist zwar nicht vom Schutzbereich des Art. 13 GG umfasst, die Privat- und Intimsphäre des Gefangenen als Ausdruck seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) ist von der Justizvollzugsanstalt jedoch zu wahren.
Diesen Anforderungen wird der angegriffene Beschluss des Landgerichts Amberg nicht gerecht. Das Gericht ist davon ausgegangen, dass die Einsichtnahmen in den Haftraum bereits nach dem Vortrag des Beschwerdeführers nur kurzfristig und stichprobenartig erfolgt seien. Deshalb sei die Privatsphäre des Gefangenen nur geringfügig verletzt, zumal er sich in den Toilettenraum hätte zurückziehen können. Solche Kontrollen seien wegen der „gerichtsbekannten“ Aggressionshandlungen und Straftaten in Gemeinschaftshafträumen unerlässlich. Das Gericht hat jedoch nicht aufgeklärt, wie häufig tatsächlich Einsichtnahmen stattgefunden haben, ob jeweils ein Anlass bestand, auf welche Weise etwaige Einsichtnahmen für die Gefangenen bemerkbar waren und ob eine weniger eingriffsintensive Ausgestaltung der Einsichtnahme möglich war. Es ist dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht nachgegangen, die Gefangenen seien dem Gefühl ausgesetzt gewesen, ständig beobachtet zu werden, und auch andere Gefangene hätten ungehindert Einsicht in den Haftraum nehmen können. Der Beschwerdeführer hatte eine konkrete anlasslose Einsichtnahme geschildert sowie fünf Zeugen benannt.
Soweit das Landgericht ausführt, es komme auf die Frage, ob Einsichtnahmen tatsächlich stattgefunden hätten, nicht an, verkennt es die Bedeutung ihrer konkreten Häufigkeit und Ausgestaltung für die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Die vom Landgericht angewendete Generalklausel des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayStVollzG formuliert für solche Maßnahmen die Anforderung, dass Beschränkungen der Freiheit zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt nur erfolgen dürfen, wenn sie „unerlässlich“ sind. Entgegen seiner Aufklärungspflicht hat das Gericht hier unterstellt, dass jede mögliche Einsichtnahme allein aufgrund der erhöhten Gefährdung der Gefangenen bei der (von der Anstalt gewählten) Unterbringung in Gemeinschaftshafträumen unerlässlich sei. Da diese pauschale Wertung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht im Einklang steht, hätte es für die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit des Vorgehens einer genaueren Sachaufklärung bedurft.