Juristinnenbund lehnt Einführung einer gesetzlichen Vertretung der Ehepartner im Bereich der Gesundheitssorge ab

16. Dezember 2020 -

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) kritisiert insbesondere das Vorhaben der Bundesregierung, eine gegenseitige gesetzliche Vertretung der Ehepartner im Bereich der Gesundheitssorge einzuführen.

Aus der Pressemitteilung des djb vom 16.12.2020 ergibt sich:

„Ein Bedarf für diesen Schritt ist nicht erkennbar“, so Brigitte Meyer-Wehage, Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht, Recht anderer Lebensgemeinschaften. „Die individuellen Belange der Erkrankten dürfen einem ohnehin ungesicherten Einsparungspotenzial von Gerichtskosten nicht untergeordnet werden. Entscheidungen im höchstpersönlichen Bereich der Gesundheitssorge müssen vielmehr mit Augenmaß getroffen werden.“

Meyer-Wehage vertritt bei der Anhörung am 16.12.2020 im Rechtsausschuss des Bundestages zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts den djb als Sachverständige.

Dass dies der dritte Versuch sei, ein gesetzliches Vertretungsrecht von Ehepartnern auf den parlamentarischen Weg zu bringen, lasse deutliche Zweifel an dessen Notwendigkeit aufkommen. Wenn Ehepartner in Ausnahmesituationen (und nur darauf soll die Vorschrift zugeschnitten sein) füreinander Verantwortung und Vertretung in Angelegenheiten der Gesundheitssorge übernehmen wollen, sei das Ziel seit Jahren über Vorsorgevollmachten problemlos zu erreichen. Nicht nur Ehepartner können ihrem Willen ohne größeren Aufwand (und ohne Verpflichtung zu einer notariellen Beurkundung) in einer Vorsorgevollmacht Ausdruck verleihen. Bis Dezember 2019 haben diese Option bereits über 4,6 Mio. Personen genutzt. Die Zahlen belegten eindrucksvoll, dass sich der Umgang mit Vorsorgevollmachten in der Bevölkerung durchgesetzt habe.

Mit einem gesetzlichen Vertretungsrecht könnte nun das Ziel der Versorgungsvollmachten unterwandert werden, da sich ein Nebeneinander beider Rechtsinstitute nicht plausibel vermitteln lasse. So könnte dies leicht zu der – unzutreffenden – Annahme führen, eine zusätzliche Vorsorgevollmacht sei nicht (mehr) nötig. Es sei zu bezweifeln, dass allen Betroffenen die Details der gesetzlichen Regelung in § 1358 BGB-E bewusst seien, wonach sie bei der Ausübung ihres Vertretungsrechts an enge Vorgaben gebunden wären.

Der Verweis auf das Einsparpotenzial i.H.v. ca. 2 Mio. Euro für die Tätigkeit von Rechtspflegern und Richtern könne ebenfalls nicht überzeugen, da es erstens nicht gesichert sei und zweitens die Kosten bezogen auf 16 Bundesländer Marginalien im Justizhaushalt darstellen.

Der Gesetzentwurf lasse zudem keine Missbrauchskontrolle zu, berge Haftungsrisiken für Ärzte und sei geeignet, im Anwendungsfall erhebliches Konfliktpotential in die Familien hineinzutragen.

Ein „Ehegattenvertretungsrecht“ habe sich aus nachvollziehbaren Gründen bislang nicht durchsetzen können. Daran ändere auch der aktuelle Regelungsvorschlag nichts, weshalb der djb diesen Teilaspekt des Gesetzesentwurfs ablehne.

Weitere Information
Stellungnahme des djb zur Anhörung im Rechtsausschuss zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts (BT-Drs. 19/24445) v. 14.12.2020 (PDF, 179 KB)