Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 26.11.2020 zum Aktenzeichen B 14 AS 23/20 R entschieden, dass ein Empfänger von Arbeitslosengeld 2 keinen Anspruch darauf hat, dass seine Samenzellen eingefroren werden, wenn die krankheitsbedingte Gefahr besteht später unfruchtbar zu werden.
Umstritten ist ein Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II im Oktober 2017 für die Kosten einer Kryokonservierung von Samenzellen. Der 1998 geborene, im Alg II-Bezug stehende Kläger erkrankte im Jahr 2014 an einem Immundefekt. Zu dessen Behandlung war eine Chemotherapie notwendig, durch die die Gefahr eines Fertilitätsverlustes bestand. Daher lagerte der Kläger entsprechend ärztlicher Empfehlung vor Behandlungsbeginn körpereigene Samenzellen bei der Firma C ein. Die Krankenkasse lehnte die Übernahme der Kosten der Kryokonservierung in 2014 ab, weil es sich nicht um eine Leistung nach dem SGB V handele. Den im Oktober 2017 beim beklagten Jobcenter gestellten Antrag auf Übernahme der jährlichen Kosten der Kryokonservierung i.H.v. 297,50 Euro für die Zeit vom 02.10.2017 bis zum 02.10.2018 lehnte dieses ab. Die Kryokonservierung stelle eine Maßnahme zur persönlichen Familienplanung dar und diene nicht der Sicherung des Lebensunterhaltes, zudem sei sie kein unabweisbarer Bedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht hat, nachdem es auf den in 2019 eingeführten § 27a Abs. 4 SGB V hingewiesen hat, den Beklagten verpflichtet, dem Kläger weitere 297,50 Euro als Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II für Oktober 2017 zu zahlen. Die Kosten der Kryokonservierung seien Bestandteil des menschenwürdigen Existenzminimums und stünden in engem Zusammenhang mit der eigentlichen Krankenbehandlung. Die Nichtübernahme von Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung, die gerade keine Vollversicherung sei, sei der Grund dafür, dass auch Gesundheitspflegeleistungen regelbedarfsrelevant seien. Der Kläger könne nicht darauf verwiesen werden, die Kosten aus der Versicherungspauschale zu bestreiten.
Mit seiner vom Landessozialgericht zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 21 Abs. 6 SGB II. Die Kosten der Kryokonservierung seien nicht Teil des Existenzminimums. Da durch die Kryokonservierung die Zeugungsfähigkeit des Klägers nicht wiederhergestellt werden könne, handele es sich nicht um eine Krankenbehandlung, sondern um eine reproduktionsmedizinische Maßnahme.
Das BSG hat auf die Revision des beklagten Jobcenters das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen.
Nach Auffassung des BSG hat der Kläger keinen Anspruch auf Übernahme der im Oktober 2017 angefallenen Kosten der Kryokonservierung seiner Samenzellen gegen den Beklagten, auch wenn solche Kosten nicht in den Regelbedarf eingeflossen sind. Die Voraussetzungen eines Härtefallmehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II sind nicht erfüllt, weil die Kosten kein unabweisbarer, besonderer Bedarf sind. Sie sind nicht Teil des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG). Die Kryokonservierung männlicher Samenzellen stellt keine medizinisch notwendige Behandlung dar, denn durch sie kann die natürliche Zeugungsfähigkeit des Betroffenen nicht wiederhergestellt werden. Sie beinhaltet nur die Möglichkeit einer späteren künstlichen Befruchtung mit eigenem Erbgut. Aus der staatlichen Pflicht zum Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG kann eine so weitreichende Förderungspflicht des Gesetzgebers ebenfalls nicht abgeleitet werden. Für dieses Ergebnis spricht zudem die zwischenzeitlich erfolgte Regelung der Kryokonservierung durch den Gesetzgeber in § 27a Abs. 4 SGB V und die damit einhergehende Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung, die auch den in ihr versicherten Alg II-Empfängern – wie dem Kläger – zu Gute kommt.