Das Kammergericht hat am 03.12.2020 zum Aktenzeichen 2 W 1009/20 entschieden, dass der Rechtsstreit zwischen dem Insolvenzverwalter der Air Berlin und Etihad Airways bis zur abschließenden Entscheidung des High Court of Justice in London über seine Zuständigkeit ausgesetzt bleibt.
Aus der Pressemitteilung des KG Nr. 71/2020 vom 03.12.2020 ergibt sich:
Das LG Berlin hatte sich mit einer Klage des Insolvenzverwalters (im Folgenden: Kläger) über das Vermögen der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden: Air Berlin) gegen die Etihad Airways PJSC (im Folgenden: Beklagte) zu befassen. Die Klageanträge lauteten auf Zahlung von 500 Millionen Euro und Feststellung, dass die Beklagte zu weiterem Schadensersatz verpflichtet sei. Das Landgericht hatte den Streitwert vorläufig auf bis zu zwei Milliarden Euro festgesetzt. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte Schadensersatz leisten müsse. Sie habe ihre Pflichten aus einem sog. Comfort Letter vom 28.04.2017 verletzt. An jenem Tag habe die Beklagte nach intensiven Vorverhandlungen ein Dokument unterzeichnet, mit dem sie ihre Absicht bestätigt habe, Air Berlin in jedem Fall für die kommenden 18 Monate die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen, um ihr Tochterunternehmen in die Lage zu versetzen, seine finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen. Entgegen dieser Zusage habe sie Air Berlin im August 2017 die finanzielle Unterstützung entzogen mit der Folge, dass deshalb Air Berlin Insolvenzantrag habe stellen müssen. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe eine rechtsverbindliche Zusage getätigt. Weil sie gegen diese Verpflichtung verstoßen habe, müsse sie sämtliche berechtigten Forderungen der Gläubiger ausgleichen. Bisher habe er noch nicht alle angemeldeten Forderungen prüfen können, da es sich um eine Anzahl von über einer Million Forderungen in Milliardenhöhe handele. Drei Insolvenzforderungen in Höhe von insgesamt knapp 500 Millionen Euro habe er bereits geprüft; diese seien nach seiner vorläufigen Einschätzung berechtigt und daher in voller Höhe zur Insolvenztabelle festzustellen. Nach Auffassung des Klägers könne er daher die Zahlung dieses entsprechenden Betrages von der Beklagten verlangen. Hinsichtlich der weiteren angemeldeten Forderungen, die er noch nicht geprüft habe, könne er noch keine konkreten Zahlen nennen. Daher sei er berechtigt, zumindest feststellen zu lassen, dass die Beklagte insoweit Schadensersatz schulde.
Mit Beschluss vom 13.05.2020 hatte das LG Berlin auf den von Etihad gestellten Aussetzungsantrag das vor ihr anhängige Zivilverfahren bis zur abschließenden Entscheidung des High Court of Justice in London über seine Zuständigkeit ausgesetzt. Die Beklagte vertritt in diesem Verfahren u.a. die Rechtsauffassung, das LG Berlin sei international nicht zuständig und habe den vorliegenden Rechtsstreit zugunsten des High Court of Justice in London auszusetzen, weil dort seit dem 22.01.2019 eine negative Feststellungsklage zwischen den Parteien anhängig sei, die denselben Verfahrensgegenstand wie das hier geführte Verfahren habe. Die Zuständigkeit des High Court of Justice in London beruhe auf einer zwischen Air Berlin und der Beklagten in einem Darlehensvertrag getroffenen Vereinbarung über die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte Englands, an die auch der Kläger als Insolvenzverwalter gebunden sei.
Das KG hat auf die Beschwerde des Insolvenzverwalters der Air Berlin plc. (Kläger und Beschwerdeführer des Verfahrens) die Entscheidung des LG Berlin bestätigt, das vor ihr anhängige Zivilverfahren auf Antrag von Etihad Airways PJSC (Beklagte und Beschwerdegegnerin des Verfahrens) bis zur abschließenden Entscheidung des High Court of Justice in London über seine Zuständigkeit auszusetzen.
Nach Auffassung des Kammergerichts ist die zwischen Air Berlin und Etihad in einem Darlehensvertrag vereinbarte Gerichtsstandsklausel geeignet, die alleinige Zuständigkeit der Gerichte Englands auch für den von dem Insolvenzverwalter geltend gemachten Anspruch wegen der Verletzung einer Zusage finanzieller Unterstützung zu begründen. Der Rechtsstreit müsse auch nicht deshalb zwingend in Deutschland stattfinden, weil hier das Insolvenzverfahren geführt werde. Schließlich ändere der im Laufe des Prozesses vollzogene Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union nichts daran, dass die Vereinbarung der ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte Englands im hiesigen Rechtsstreit zu beachten sei.
Diese Beschwerdeentscheidung des KG ist lediglich eine Zwischenentscheidung über den Aussetzungsbeschluss des LG Berlin und bewirkt, dass das in Deutschland geführte Verfahren ausgesetzt bleibt, bis die englischen Gerichte über ihre Zuständigkeit entschieden haben.
Die Entscheidung des KG ist noch nicht rechtskräftig, weil es wegen der grundsätzlichen Bedeutung der betroffenen Rechtsfragen die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen hat, die binnen einer Frist von einem Monat nach der Zustellung des Beschlusses einzulegen wäre.