Das Oberlandesgericht Frankfurt hat am 30.11.2020 zum Aktenzeichen 26 Sch 17/20 entschieden, dass die Verfassungswidrigkeit der Zuweisung von Streitigkeiten aus dem Verpackungsgesetz an private Schiedsgerichte nicht im Eilverfahren von den Fachgerichten überprüfbar ist.
Aus der Pressemitteilung des OLG Frankfurt Nr. 85/2020 vom 01.12.2020 ergibt sich:
Das Verwerfungsmonopol für verfassungswidrige Normen liege grundsätzlich beim BVerfG. Fachgerichte könnten nur dann Eilrechtschutz gewähren, wenn es nicht zur Vorwegnahme der Hauptsache komme. Zu einer solchen unzulässigen Vorwegnahme würde es kommen, wenn im Eilverfahren der Zuschlag im Hinblick auf die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit von § 23 VerpackG untersagt würde, so das Oberlandesgericht. Nach dieser Vorschrift sind Streitigkeiten über die Zuschlagserteilung vor den privaten Schiedsgerichten auszutragen.
Die Antragsgegnerin ist unter der Bezeichnung „Der Grüne Punkt“ im Bereich des Recyclings von Verpackungen tätig. Sie schrieb Leistungen nach dem Verpackungsgesetz aus. Leistungsbeginn sollte der 01.01.2021 sein. Die Antragstellerin bewarb sich erfolglos. Nach dem 2019 neu gefassten Verpackungsgesetz ist die Ausschreibung und Entscheidung von Leistungen nach dem Verpackungsgesetz durch ein Schiedsgericht zu überprüfen (§ 23 Abs. 8, Abs. 9 VerpackG). Die von der Antragstellerin erhobene Schiedsklage, die sich darauf richtete, der Antragsgegnerin die Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter zu untersagen, hatte vor dem Schiedsgericht keinen Erfolg. Die Antragstellerin begehrte deshalb, die Zuschlagserteilung im Eilverfahren bis zu einer Entscheidung über die Aufhebung dieses Schiedsspruchs zu untersagen. Sie hält die Zuweisung von Streitigkeiten nach dem Verpackungsgesetz an ein privates Schiedsgericht für verfassungswidrig.
Das OLG Frankfurt hat einen Eilantrag auf Zuschlagsuntersagung abgelehnt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegt das Verwerfungsmonopol für eine verfassungswidrige Norm grundsätzlich beim BVerfG (Art. 100 Abs. 1 GG). Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes könne zwar auch ein Fachgericht – wie hier das Oberlandesgericht – vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf eine verfassungswidrige Norm gewähren. Dies gelte allerdings nicht, wenn damit die Hauptsacheentscheidung vorweggenommen würde. Dies wäre hier der Fall. Die von der Antragstellerin begehrte Entscheidung würde der Sache nach darauf hinauslaufen, die gesetzliche Regelung des Bieterverfahrens – im Sinne einer faktischen Vorwegnahme der Hauptsache – zu unterlaufen, indem sie es der Antragsgegnerin bis zum Abschluss des Hauptsachverfahrens über den Aufhebungsantrag unmöglich machen würde, den Zuschlag zu erteilen. Das Oberlandesgericht könnte sich gegebenenfalls erst im Hauptsacheverfahren von der Verfassungswidrigkeit der Regelung überzeugen und dies nach einer Vorlage zum BVerfG entsprechend in die Entscheidung über eine Aufhebung des Schiedsspruchs einfließen lassen. Eine Untersagung der Erteilung des Zuschlags bis zu diesem Zeitpunkt würde eine Durchführung des gesetzlich geregelten Bieterverfahrens in der vorliegenden Konstellation weitgehend leerlaufen lassen, begründet das Oberlandesgericht unter Hinweis auf den vorgesehenen Leistungsbeginn der ausgeschriebenen Leistung zum 01.01.2021.
Die Antragstellerin werde durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes auch nicht rechtlos gestellt. Sie könne wegen der Versagung des Zuschlags jedenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.