Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 16. Oktober 2020 zum Aktenzeichen 1 BvR 2805/19 entschieden, dass die Frage an einen Polizeibeamten, ob dieser der deutschen Sprache mächtig sei und die Feststellung, dass der Polizeibeamte in der Lage sei, einfachste Sachverhalte zu erfassen und zu bewältigen, keine strafbare Beleidigung darstellt.
Die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beleidigung greift in dessen Grundrecht auf Meinungsfreiheit ein.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Grundrechtlich geschützt sind insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts.
Die strafrechtliche Sanktionierung knüpft an die in erster Linie wertenden, den Grenzbeamten in seiner Ehre herabsetzenden Äußerungen des Beschwerdeführers an und schränkt damit seine Meinungsfreiheit ein.
Dieser Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings die Einordnung der Äußerungen als ehrkränkend. Die dieser Einordnung vorausliegende tatgerichtliche Würdigung des Geschehens, wonach der Beschwerdeführer sich nicht ernsthaft über die Sprach- und intellektuellen Kompetenzen seines Gegenübers erkundigen, sondern seinen Unwillen und Kritik äußern wollte, lässt verfassungsrechtliche Mängel nicht erkennen. Dass die öffentlich und unter namentlicher Nennung des Betroffenen zum Ausdruck gebrachten Zweifel des Beschwerdeführers an den Deutschkenntnissen des Beamten und seiner Fähigkeit, mit einfachen Sachverhalten umzugehen, diesen in seiner beruflichen Geltung und Eignung in Frage stellten, bedurfte vorliegend keiner weiteren Darlegung.
Die angegriffenen Entscheidungen stützen die Verurteilung jedoch nicht auf eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende, kontextspezifische Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des betroffenen Polizeibeamten und der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers.
Eine solche die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers berücksichtigende Abwägung war hier nicht unter dem Gesichtspunkt der Schmähung oder Formalbeleidigung entbehrlich. Zwar ordnet das Amtsgericht die Äußerungen „aufgrund ihrer Form“ als Beleidigung ein, da es dem Beschwerdeführer nur um eine Diffamierung der Person des Betroffenen gegangen sei. Damit wird der Sache nach eine Einordnung als Schmähkritik zumindest angedeutet. Dass es dem Beschwerdeführer nicht um eine Äußerung in der Sache, sondern allein um eine Herabsetzung des Betroffenen gegangen sei, wird jedoch nicht in der erforderlichen, die konkreten, objektiv feststellbaren Umstände des Falles in den Blick nehmenden Weise begründet, sondern ohne nähere Ausführungen behauptet. Dabei lässt das Amtsgericht in seiner Einordnung der Äußerungen als Schmähung ohne Begründung außer Acht, dass der Beschwerdeführer diese aus Anlass der aus seiner Sicht problematischen Abfertigung am Flughafen tätigte, er sich über das Kontrollgeschehen nachträglich beschweren wollte und die Äußerung mit dem Gegenstand des Wortwechsels mit dem Grenzbeamten – der zögerlichen Herausgabe seines Namens und seiner Dienstnummer zum Zweck einer Beschwerdeerhebung – in noch nachvollziehbarem Zusammenhang stand. Ebenso wäre als objektivierbarer Umstand zu berücksichtigen gewesen, dass die Äußerungen spontan während einer mündlichen Auseinandersetzung fielen. Eine alleinige, von dem Gesamtgeschehen gelöste Zielrichtung der Äußerung, den Grenzbeamten in seiner Ehre herabzuwürdigen, lässt sich auf dieser Grundlage nicht objektiv ausmachen. Die Äußerungen fielen vielmehr bei der für eine Einordnung als Schmähkritik maßgeblichen Gesamtbetrachtung ersichtlich im Kontext einer hoheitlichen Maßnahme (Einreisekontrolle), der Kritik an deren Durchführungsweise und angesichts des Umgangs eines Hoheitsträgers mit dieser Kritik. Insofern entbehrten sie nicht jedes sachlichen Bezugs. Die Äußerungen können daher – mit der gegebenen Begründung – nicht aus diesem Kontext herausgelöst als allein auf die Diffamierung der Person des Beamten gerichtet verstanden werden. Weder zeichnen sich die Äußerungen durch eine besonders gehässige Form aus, noch verwendete der Beschwerdeführer schwerwiegende Schimpfwörter, die als Formalbeleidigung eingestuft werden könnten.
Um zu einer verfassungsrechtlich tragfähigen Verurteilung gemäß § 185 StGB zu gelangen, wäre daher eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Grenzbeamten in den konkreten Umständen des Falles erforderlich gewesen. Dabei wären bereits bei der Einstufung der inkriminierten Äußerungen als ehrherabsetzender und rechtswidriger Ausdruck der Missachtung des Betroffenen – und nicht erst auf Ebene der Strafzumessung – die besonderen Umstände des Falles, insbesondere die Veranlassung durch die verbale, mehrminütige Auseinandersetzung im weiteren Kontext einer hoheitlichen Einreisekontrolle, die Spontaneität der Äußerung, deren flüchtiger Charakter und der vom Amtsgericht selbst als relativ geringfügig bewertete ehrschmälernde Gehalt, die Öffentlichkeitswirksamkeit der Äußerungen und die Betroffenheit des Beschwerdeführers durch die Amtsausübung des Beamten zu berücksichtigen gewesen. Eine solche Abwägung kommt in den angegriffenen Entscheidungen nicht zum Ausdruck. Vielmehr fehlt es bereits an gehaltvollen tatgerichtlichen Feststellungen, die Voraussetzung einer solchen kontextspezifischen Würdigung sind und ohne die sich die tatgerichtliche Einordnung der Äußerungen einer insbesondere verfassungsrechtlichen Überprüfung weitgehend entzieht.