Das Amtsgericht Frankenthal hat mit Urteil vom 28.10.2020 zum Aktenzeichen 3c C 101/19 darüber entschieden, wie sich Verkehrsteilnehmer bei der Einfahrt in einen Parkplatz von Einkaufsmärkten zu verhalten haben.
Aus der Pressemitteilung des AG Frankenthal vom 25.11.2020 ergibt sich:
Auf Parkplätzen von Einkaufsmärkten gelte das Rücksichtnahmegebot der Straßenverkehrsordnung aufgrund der ständig wechselnden Verkehrssituationen in besonderem Maße, sodass hier grundsätzlich bei stetiger Bremsbereitschaft mit der sehr langsamen Geschwindigkeit eines normal gehenden Fußgängers (4-7 km/h) zu fahren sei. Für einen Unfall sei ein Kontakt zwischen den Beteiligten keine zwingende Voraussetzung; erforderlich für eine Zurechnung sei lediglich, dass sich eine von einem Verkehrsteilnehmer ausgehende Gefahr so ausgewirkt haben müsse, dass er durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung eines Schadens beigetragen habe. Der Schädiger habe dem Geschädigten grundsätzlich auch die zur Feststellung der Schadenshöhe entstandenen Gutachterkosten zu ersetzen, wobei Streitigkeiten über die Angemessenheit dieser Kosten nicht auf dem Rücken des Geschädigten auszutragen seien; der Schädiger bzw. die für ihn eintrittspflichtige Versicherung könne sich vermeintliche Regressansprüche wegen mutmaßlich überhöhter Gutachterkosten vielmehr abtreten lassen und selbst gegen den Sachverständigen vorgehen, so das Amtsgericht.
Die Parteien stritten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall aus dem Jahr 2019. Der Kläger fuhr mit seinem Motorroller aus der Benderstraße kommend auf die Mittelspur der zu den Einkaufsmärkten A und B gehörenden Parkplätze. Zu diesem Zeitpunkt war das Fahrzeug des Beklagten gerade im Begriff, den Parkplatz aus Richtung des links von der Einfahrspur befindlichen Marktes zu verlassen. Als die beiden Fahrzeuge sich näher aufeinander zubewegten, sprang der Kläger von seinem Roller. An diesem entstand hierdurch ein wirtschaftlicher Totalschaden. Zu einem Kontakt zwischen den beiden Fahrzeugen kam es nicht. Der Kläger behauptete, das vom Beklagten gesteuerte Fahrzeug habe sich mit überhöhter, unangepasster Geschwindigkeit von mehr als 30 km/h auf ihn zubewegt und sei erst in letzter Sekunde so abgebremst worden, dass es etwa einen halben Meter vor dem Roller zum Stehen gekommen sei. Um sich vor einer bevorstehenden Kollision zu schützen, sei er daher von seinem Roller abgesprungen.
Das AG Frankenthal hat der Klage überwiegend stattgegeben.
Nach Auffassung des Amtsgerichts hat der Fahrer des beklagten Fahrzeugs gegen das Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift hat sich ein Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen vermeidbar behindert oder belästigt wird. Gerade auf Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter sei dieses allgemeine Rücksichtnahmegebot angesichts der ständig wechselnden Verkehrssituation im besonderen Maße zu beachten und daher bei stetiger Bremsbereitschaft mit Schrittgeschwindigkeit, also der sehr langsamen Geschwindigkeit eines normal gehenden Fußgängers (ca. 4 bis 7 km/h) zu fahren. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass das Verhalten des Fahrzeugs der Beklagtenseite diesen Anforderungen nicht gerecht wurde. Beim berührungslosen Unfall sei zudem Voraussetzung für eine Zurechnung, dass sich eine vom Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt haben müsse, mithin das Fahrzeug durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zur Entstehung des Schadens beigetragen habe. Dies sei hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Fall. Durch die Annäherung an den seinerseits den Parkplatz befahrenden Kläger mit unangemessen hoher Geschwindigkeit und damit in einer gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßenden Weise habe der Fahrer des beklagten Fahrzeugs die zur Beschädigung des Rollers führende klägerische Reaktion provoziert. Im Hinblick auf ein dem Kläger zuzurechnendes Mitverschulden, da sich dieser selbst mit einer Annährungsgeschwindigkeit von 15 bis 20 km/h auf den Parkplatz begeben wollte, wurde die Klage teilweise abgewiesen. Nach Auffassung des Amtsgerichts war eine Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zugunsten des Klägers angemessen.