Deutschland muss US-Drohneneinsätze im Jemen nicht unterbinden

26. November 2020 -

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 25.11.2020 zum Aktenzeichen 6 C 7.19 entschieden, dass im Jemen lebende jemenitische Staatsangehörige keinen Anspruch auf weitergehendes Tätigwerden der Bundesregierung zur Verhinderung von Drohneneinsätzen der USA im Jemen unter Nutzung der Air Base Ramstein haben.

Aus der Pressemitteilung des BVerwG Nr. 68/2020 vom 25.11.2020 ergibt sich:

Die Kläger begehren die Unterbindung bewaffneter Einsätze von Drohnen im Jemen, die die USA unter Nutzung von Einrichtungen auf der Air Base Ramstein durchführen.
Das Verwaltungsgericht hatte die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hatte das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, sich durch geeignete Maßnahmen zu vergewissern, dass eine Nutzung der Air Base Ramstein durch die USA für Einsätze bewaffneter Drohnen im Jemen nur im Einklang mit dem Völkerrecht stattfindet, sowie erforderlichenfalls auf dessen Einhaltung gegenüber den USA hinzuwirken. Die Kläger hätten einen aus ihren Grundrechten folgenden Anspruch darauf, dass die Beklagte sie vor drohenden Beeinträchtigungen ihres Lebens und ihrer körperlichen Unversehrtheit schützt, soweit bewaffnete US-Drohneneinsätze in wesentlicher Hinsicht vom deutschen Staatsgebiet aus durchgeführt würden und gegen völkerrechtliche Vorgaben mit engem Bezug zu den grundrechtlichen Schutzgütern verstießen. Ihrer grundrechtlichen Schutzpflicht sei die Beklagte bislang nur unzureichend nachgekommen. Denn die bislang von ihr wegen einer Nutzung der Air Base Ramstein für US-Drohneneinsätze ergriffenen Maßnahmen beruhten auf der unzutreffenden Einschätzung, es gebe keinen Anlass zu Zweifeln an der Völkerrechtskonformität der Einsätze. Vielmehr bestünden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass jedenfalls ein Teil der Drohneneinsätze mit den Vorgaben des humanitären Völkerrechts und des internationalen Menschenrechtsschutzes nicht in Einklang stehe. Vor diesem Hintergrund sei der bislang durchgeführte Dialog mit den USA zum Schutz der Kläger völlig unzulänglich.

Das BVerwG hat auf die Revision der Beklagten das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. In Bezug auf einen der drei Kläger, der nicht im Jemen lebt, ist die Klage mangels Klagebefugnis bereits unzulässig. Hinsichtlich der beiden anderen Kläger ist zwar die Zulässigkeit der Leistungsklage zu bejahen.

Nach Auffassung des BVerwG ist die Klage jedoch unbegründet. Zwar könnten grundrechtliche Schutzpflichten des deutschen Staates auch gegenüber im Ausland lebenden Ausländern und im Fall von Grundrechtsbeeinträchtigungen durch andere Staaten bestehen. Hierfür reiche jedoch nicht schon – im Sinne des vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegten Vorsorgegrundsatzes – die bloße Möglichkeit einer völkerrechtswidrigen Beeinträchtigung der grundrechtlichen Schutzgüter durch den anderen Staat aus. Vielmehr entstehe die Schutzpflicht erst, wenn aufgrund der Zahl und der Umstände bereits eingetretener Völkerrechtsverstöße konkret zu erwarten sei, dass es auch in Zukunft zu völkerrechtswidrigen Handlungen kommen werde, durch die grundrechtliche Schutzgüter beeinträchtigt oder gefährdet werden. Ferner bedürfe es eines qualifizierten Bezugs zum deutschen Staatsgebiet. Hieran fehle es jedenfalls dann, wenn sich der auf das deutsche Staatsgebiet bezogene Teil der grundrechtsbeeinträchtigenden Handlungen des anderen Staates in einem rein technischen Übermittlungsvorgang ohne Entscheidungselemente erschöpfe.

Zudem könne die völkerrechtliche Beurteilung des Handelns anderer Staaten wegen der strukturellen Besonderheiten des Völkerrechts von der Bandbreite der vertretbaren Rechtsauffassungen abhängen. Schließlich komme der Bundesregierung auf der Rechtsfolgenseite bei der Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu. Die Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht könne in Fällen mit Auslandsbezug nur dann festgestellt werden, wenn die Bundesregierung gänzlich untätig geblieben sei oder die getroffenen Maßnahmen offensichtlich völlig ungeeignet oder unzulänglich seien.

Von diesen Maßstäben ausgehend hat das BVerwG im Ergebnis offengelassen, ob eine grundrechtliche Schutzpflicht der Beklagten gegenüber den Klägern entstanden ist. Für den erforderlichen qualifizierten Bezug zum deutschen Staatsgebiet reiche es nicht aus, dass der Datenstrom für die Steuerung der im Jemen eingesetzten Drohnen über Glasfaserkabel von den USA aus zur Air Base Ramstein übermittele und von dort aus mittels einer Satelliten-Relaisstation an die Drohnen gefunkt werde. Dass die Einbindung der Air Base Ramstein in bewaffnete Drohneneinsätze im Jemen zusätzlich eine Auswertung von Informationen einschließe, hat das Oberverwaltungsgericht nicht abschließend festgestellt. Ob die unter Nutzung der Air Base Ramstein durchgeführten Drohneneinsätze der USA im Jemen regelmäßig gegen Vorgaben des humanitären Völkerrechts, insbesondere die Verbote unterschiedsloser Angriffe oder von Angriffen mit unverhältnismäßigen Kollateralschäden verstießen, könne unter Berücksichtigung der vertretbaren Bandbreite von Rechtsauffassungen ebenfalls nicht ohne ergänzende Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts entschieden werden.

Von einer Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht zur weiteren Aufklärung hat das BVerwG jedoch abgesehen. Denn werde zugunsten der Kläger unterstellt, dass eine aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht der Beklagten gegenüber den Klägern entstanden sei, hätte die Bundesregierung diese Schutzpflicht jedenfalls erfüllt. Sie sei nicht untätig geblieben, sondern habe im Hinblick auf die sich aus der Einbindung der Air Base Ramstein in die Drohnenangriffe der USA im Jemen ergebenden völkerrechtlichen Probleme entschieden, in Konsultationen mit den USA einzutreten und hierbei auch rechtliche Fragen zu thematisieren, die der Einsatz unbemannter Luftfahrzeuge aufwerfe. In der Folgezeit habe sie diese Konsultationen auf unterschiedlichen diplomatischen und politischen Ebenen fortgesetzt. Schließlich habe sie eine Zusicherung der USA eingeholt, dass Aktivitäten in US-Militärliegenschaften in Deutschland im Einklang mit geltendem Recht erfolgten. Diese Maßnahmen könnten nicht als völlig unzulänglich qualifiziert werden. Weitergehende Schritte, wie insbesondere die von den Klägern letztlich geforderte Kündigung der völkervertraglichen Grundlagen für die Nutzung der Air Base Ramstein musste die Bundesregierung wegen der massiven nachteilhaften Auswirkungen für die außen-, bündnis- und verteidigungspolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland nicht in Betracht ziehen.