Das Oberlandesgericht Hamm hat am 20.11.2020 zum Aktenzeichen III-3 RVs 47/20 entschieden, dass ein Vereinsvorstand strafrechtlich nicht dazu verpflichtet ist, eine Abbildung auf einer Immobilie des Vereins zu beseitigen, die das Kennzeichen eines verbotenes Vereins darstellt, wenn er weder diese Abbildung angefertigt noch zum Zeitpunkt der Anfertigung in einer verantwortlichen Position innerhalb des Vereins gewesen ist.
Aus der Pressemitteilung des OLG Hamm vom 26.11.2020 ergibt sich:
Der Angeklagte ist im Vorstand und seit 2013 Vorsitzender eines Vereins zur Einrichtung und Förderung eines unabhängigen Jugendzentrums in Bielefeld. Der Verein ist Eigentümer einer Immobilie in Bielefeld, in dem sich u.a. Veranstaltungsräume befinden. Auf einem Rollladen eines Veranstaltungsraums wurde wahrscheinlich 1994 von einer unbekannten Person ein etwa 2 x 3 Meter großes Bild angebracht, das neben einem menschlichen Oberkörper im Hintergrund die Flagge der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) – einer verbotenen Teilorganisation der PKK – darstellt. Bis 2017 wurde die Abbildung, die vom öffentlichen Straßenraum gesehen werden kann, von den Behörden nicht beanstandet. Nachdem im September 2017 eine anonyme E-Mail beim Ordnungsamt in Bielefeld eingegangen war, in der auf die Abbildung der Flagge der ERNK auf dem Rollladen aufmerksam gemacht wurde, wurde der Angeklagte im Januar 2018 von der vom Ordnungsamt informierten Polizei aufgefordert, das Symbol zu entfernen. Es wurde angekündigt, auf eine strafrechtliche Verfolgung zu verzichten, sofern das Symbol freiwillig entfernt würde. Der oben erwähnte Verein war und ist allerdings – auch in Zukunft – nicht zu einer Entfernung der Abbildung bereit.
Das AG Bielefeld hatte den Angeklagten am 23.09.2019 wegen des Verwendens eines Kennzeichens eines verbotenen Vereins zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt (800 Cs 61/19). Auf die Berufung des Angeklagten hat das LG Bielefeld den Angeklagten mit Urteil vom 17.06.2020 (05 Ns 85/19) freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft.
Das OLG Hamm hat die Revision zurückgewiesen.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass den Angeklagten als einer der Vereinsvorstände des Vereins keine strafrechtlich relevante Pflicht zur Beseitigung der betreffenden Abbildung treffe. Er müsse nämlich, zumal er erst seit 2013 Vereinsvorsitzender sei, nicht dafür einstehen, dass die wahrscheinlich im Jahr 1994 angebrachte Abbildung entfernt werde. Der Angeklagte habe die Abbildung weder selbst angefertigt noch ist er zum Zeitpunkt der Anfertigung in einer verantwortlichen Position innerhalb des Vereins gewesen. Durch das bloße Unterlassen des Entfernens der Abbildung nach Aufforderung durch das Ordnungsamt im Januar 2018 habe sich der Angeklagte nicht strafbar gemacht.
Soweit es nach Auffassung der Staatsanwaltschaft offenbar entscheidend darauf ankomme, welchen Grund der Angeklagte bzw. der von ihm vertretene Verein für die andauernde Duldung des Bildes habe, weshalb sie in dem angefochtenen Urteil Ausführungen zu der politischen Ausrichtung des Vereins und dem naheliegenden Grund für die andauernde Duldung des Bildes vermisse, teile das Oberlandesgericht diese Einschätzung nicht. Denn dies würde im Ergebnis dazu führen, dass eine Gesinnung unter Strafe gestellt werden würde, indem die politische Ausrichtung eines Vereins bzw. dessen Mitglieder und des Angeklagten darüber entscheide, ob das Unterlassen des Entfernens der maßgeblichen Abbildung zur Strafbarkeit des Angeklagten führen könne.
Dies widerspreche eindeutig den Werten des Grundgesetzes und insbesondere dem schrankenlos gewährten Grundrecht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, wonach u.a. niemand wegen seiner politischen Anschauung benachteiligt werden dürfe. Eine andere, nicht vom Oberlandesgericht zu entscheidende Frage sei es, ob der Angeklagte bzw. der von ihm vertretene Verein die Abbildung ggf. aufgrund ordnungsbehördlicher Verpflichtung zu entfernen hätte.
Das Urteil ist rechtskräftig.